Bahnfahrer können Entschädigung fordern, wenn sie am Ziel eine Verspätung von mindestens 60 Minuten haben. Das gilt zumindestens bis Juni 2023 auch noch, wenn Streiks oder Unwetter der Grund dafür waren. So funktioniert’s:
Wer am Reiseziel mehr als 60 Minuten Verspätung hat, der hat Anspruch auf 25 Prozent des gezahlten Fahrpreises der einfachen Fahrt; ab 120 Minuten Verspätung verdoppelt sich die Entschädigung auf 50 Prozent des gezahlten Fahrpreises der einfachen Fahrt. Die Entschädigung wird auch bei höherer Gewalt fällig, also z.B. Unwetter oder Notarzteinsatz am Gleis. Jedoch muss die Verspätung bei der Eisenbahn aufgelaufen sein. Wenn beispielsweise schon der Bus oder die U-Bahn zum Startbahnhof zu spät ankam, geht man leer aus.
Bei einem Hin- und Rückfahrt-Ticket wird die Entschädigung auf Basis des halben Ticketpreises ausgerechnet. Bei einer Fernverkehrs-Zeitfahrkarte (Wochen-, Monatskarte) hat man Anspruch auf eine pauschale Entschädigung von fünf Euro (2. Klasse) und 7,50 Euro (1. Klasse) pro Verspätung. Besitzer der Bahncard 100 bekommen im Verspätungsfall pro Verspätung zehn Euro (2. Klasse) und 15 Euro (1. Klasse). All diese Entschädigungen können auch kumuliert eingereicht werden (siehe unten).
Bei einer zu erwartenden Verspätung von mehr als 60 Minuten haben Reisende unterwegs außerdem Anspruch auf „Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit, sofern sie im Zug oder im Bahnhof verfügbar oder vernünftigerweise lieferbar sind“. So sagt es Artikel 18 der europäischen Fahrgastrechte-Verordnung.
Kommt man wegen einer mehr als 60-minütigen Bahnverspätung nicht mehr am gleichen Tag an den Zielort, dann muss die Bahn eine Unterbringung samt Fahrt zur Unterkunft anbieten. Tut sie das nicht, kann man selbst tätig werden, sich eine Unterkunft suchen und später die Erstattung ihrer Hotelkosten von der Bahn verlangen. Bezahlt wird ohne Streiterei nur Mittelklasse.
Fällt der letzte Zug des Tages aus oder kann der Zielort nicht mehr vor 24 Uhr erreicht werden, dann daruf man sich als Reisender ein Taxi zum Zielbahnhof nehmen. Die Bahn erstattet Taxikosten bis 80 Euro. Sinnvollerweise bildet man Fahrgemeinschaften (siehe ganz unten.)
Sobald eine Verspätung am Zielort von mindestens 20 Minuten absehbar ist, darf man auf einen anderen Zug umsteigen, der denselben Zielort ansteuert. Das gilt auch bei Tickets mit Zugbindung und grundsätzlich auch für höherwertige Züge. Wer aber von einem Regionalzug auf einen IC oder EC oder ICE umsteigt, der muss dafür erst mal den Aufpreis bezahlen und kann ihn erst nachträglich im Reisezentrum oder beim Servicecenter Fahrgastrechte zurückfordern. Besitzer eines Quer-durchs-Land- oder Ländertickets dürfen nicht kostenfrei umsteigen.
Für Folgeschäden einer verspäteten Ankunft am Reiseziel haftet die Bahn nicht: Wenn Sie also wegen eines verspäteten Zugs einen Flug verpassen, dann ersetzt die Bahn die Umbuchungskosten nicht.
Außerdem gilt eine Bagatellgrenze von vier Euro. Niedrigere Entschädigungsbeträge werden nicht ausgezahlt. Es ist aber möglich, mehrere Entschädigungsanträge zu sammeln und diese gebündelt – sofern sie zusammen die vier Euro überschreiten – im Reisezentrum abzugeben oder an das Servicecenter Fahrgastrechte in 60647 Frankfurt am Main einzuschicken.
Die Bahn bietet dafür das Fahrgastrechte-Formular an. Es ist zwar niemand verpflichtet, das Formular zu nutzen. Der Antrag kann auch formlos schriftlich gestellt werden. Sicherer dran ist aber, wer das Formular nutzt. Denn da werden alle notwendigen Daten explizit abgefragt. Das Formular bekommt man beim Zugbegleiter, im DB Reisezentrum und online (https://fahrgastrechte.info/servicecenter-fahrgastrechte/). Wer seinen Antrag formlos stellt, der sollte folgende Daten in das Schreiben aufnehmen:
Am besten ist es, wenn man sich das Fahrgastrechte-Formular vom Zugbegleiter des verspäteten Zugs geben lässt und der die Verspätung dort schon gleich bestätigt.
Ausgaben für eine Hotelübernachtung oder Taxifahrt müssen mit dem Antrag als Quittungen belegt werden. Online reichen Fotos, die über das Bahn.de-Kundenkonto oder die Handy-App DB Navigator hochgeladen werden müssen, bevor man „Entschädigung beantragen“ wählt. Die Belege müssen komplett sichtbar sein und dürfen 120 Euro nicht übersteigen. Bei höheren Summen sind die Originalbelege per Post an das Servicecenter Fahrgastrechte einzuschicken. Und bei gekauften Papiertickets gilt das sowieso.
Am schnellsten in bar erhalten Nutzer der Deutschen Bahn die Erstattung, wenn sie den vom Zugbegleiter erhaltenen oder selbst ausgedruckten und ausgefüllten Antrag auf Entschädigung samt Verspätungsbestätigung vom Zugbegleiter im DB Reisezentrum abgeben.
Wer ein elektronisches Ticket und online gebucht hat, der kann seit Juni 2021 die Entschädigung online über sein Kundenkonto auf bahn.de oder die Handy-App DB Navigator anfordern. Möglich ist auch online oder die Bahn-Webseite. Voraussetzung ist ein Kundenkonto bei der Deutschen Bahn. Der Antrag ist schnell erfolgt, weil nur wenig einzutragen ist und das Geld meist nur binnen weniger Tage auf dem Konto ist. Die Kommunikation zwischen Servicecenter Fahrgastrechte und Kunde bei Rückfragen zum Online-Antrag erfolg allerdings immer noch per Post.
Entschädigungen für Tickets, die am Schalter oder Automaten gekauft worden sind, können nur schriftlich beantragt werden. Entweder ist das ausgefüllte Fahrgastrechte-Formular im DB Reisezentrum abzugeben oder an das Servicecenter Fahrgastrechte zu schicken (Adresse: DB Dialog, Servicecenter Fahrgastrechte, 60647 Frankfurt). Die Abgabe des Formulars imn Bahnhof hat den Vorteil, dass man dort sofort seine Verspätungsentschädigung erhält.
Die meisten Eisenbahnunternehmen bieten ebenfalls Entschädigung über das Servicecenter Fahrgastrechte an. Nicht dagegen Flixtrain. Dort muss man seine Ansprüche direkt geltend machen. Das geht über Tel. 030/300137100 oder E-Mail service@flixtrain.de
Ansprüche auf Entschädigung und Erstattung können ein ganzes Jahr nach Ende der Geltungsdauer der Fahrkarte geltend gemacht werden. Das geht aus Artikel 60 der europäischen Fahrgastrechte-Verordnung hervor.
(hwr)
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN:
17.02.2022: Bei Sturmchaos: Wann die Bahn die Weiterfahrt per Taxi zahlt
20.12.2021: So stornieren Sie kostenlos ein Bahnticket
25.05.2021: Ab Juni: Bahn-Kunden können Entschädigungen digital beantragen
05.10.2020: Bahn: Keine Entschädigung mehr bei Unwetter
10.12.2018: Bahn-Streik: Diese Rechte haben Kunden