Nach dem Flugchaos im Sommer verbessern US-Airlines freiwillig bei verspäteten oder annullierten Inlandsflügen die Leistungen für Kunden. Ähnlichkeiten mit dem EU-Fluggastrecht sind nicht zu übersehen, aber es gibt einen geldwerten Unterschied.
Lange Schlangen, reihenweise gestrichene Flüge und entnervte Passagiere – dieses Szenario konnte man in den letzten Monaten auch in den Vereinigten Staaten beobachten. Doch im Gegensatz zu der EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG, die vorschreibt, welche Ansprüche Fluggäste bei Verspätungen und Streichungen haben, sind die Regeln jenseits des Nordatlantiks nicht ganz so explizit bzw. jede Airline schreibt ihre eigenen Regeln.
Seit Anfang September jedoch, so meldet CNN, bewegt sich was. So haben American Airlines, Delta Air Lines, United Airlines, JetBlue und Southwest ihre Kundenkonditionen verbessert. Ab sofort gibt bei diesen Airlines auf Inlandsrouten bei einer Wartezeit von über drei Stunden Getränke und Snacks. Vorher mussten Reisende mehr als vier Stunden auf ihren Flug warten, bevor es Verpflegung gab.
Auch notwendige Hotelübernachtungen werden nun bezahlt, vorausgesetzt die Airline ist erwiesenermaßen an der Verzögerung schuld. United Airlines verteilt in so einem Fall Gutscheine für Vertragshotels und kommt für den Transport dorthin auf. Steht kein Partnerhotel zur Verfügung, dürfen Passagiere sich selbst in Hotels buchen und die Rechnung bis zu maximal 200 USD bei der Airline einreichen. Die Bedingungen der Mitbewerber fallen ähnlich aus, allerdings ist hier die Höhe der Hotelkosten nicht so präzise limitiert, es heißt lediglich, dass sie „angemessen“ (reasonable) sein sollten.
Die Tatsache, dass Amerikas große Airlines die Kundenansprüche verbessert haben, kommt zwar freiwillig, aber das US-Transportministerium hat ein bisschen nachgeholfen. Im August hatte es den Fluggesellschaften einen Brief geschrieben. Darin wurden die Unternehmen aufgefordert, doch bitte ihre Kundenservice-Programme einer Revision zu unterziehen. Zu überlegen sei insbesondere die Verpflegung bei langen Wartezeiten.
Hinzu kommt, dass den US-Airlines 38 Bundesstaatsanwälte im Nacken sitzen, die angesichts der Zustände im Sommer vom Kongress mehr Befugnisse fordern, um die Airlines vor Gericht bringen zu können, weil sie „systematisch versagt haben, ihrer Verantwortung gegenüber den Kunden nachzukommen“.
Was Cash-Kompensationen bei Flugstreichungen wie in der EU betrifft, so können Passagiere in den USA davon nur träumen. Die pekuniären Entschädigungen sind allerdings spätestens seit dem Flugchaos in Europa den Airlines ein Dorn im Auge. So war KLM besonders von dem Chaos betroffen und musste von Mai bis Juli rund 5,8 Prozent seiner Flüge streichen. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres kostete das die französisch-niederländische Airline circa 70 Millionen Euro an Entschädigungszahlungen.
Das Politikportal Politico zitiert einen Lobbyisten von Airlines for Europe (A4E): „Ich denke, jeder würde zustimmen, dass es nicht richtig ist, wenn jemand 300 Euro Kompensation für einen Flug, der 50 Euro gekostet hat, bekommt.“
Das EU-Fluggastrecht, das seit 2004 in Kraft ist, hat Branchenkennern zufolge einen juristisch blinden Fleck. So gibt es immer wieder Streit darüber, was „außergewöhnliche Umstände“ sind, unter denen eine Airline nicht kompensationspflichtig ist.
Viele Fälle landen vor Gericht, manchmal sogar vor dem Europäischen Gerichtshof. Ein präziseres, reformiertes Fluggastrecht könnte folglich viele Missverständnisse ausräumen und – so hoffen die Airlines – die Geldzahlungen etwas niedriger ausfallen lassen.
(thy)
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