Wer in den USA vom Flieger fliegt, wird wie in Europa entschädigt. Aber manche Passagiere sahnen erst richtig ab, wenn die Airline den Flugsitz um jeden Preis zurückhaben will.
Ähnlich wie in Europa erlebten die USA im vergangenen Sommer ein Flugchaos wegen unterschätzter Nachfrage und zu wenig Personal. Hinzu kam und kommt, dass regelmäßig zu Feiertagen und wegen extremer Wetterverhältnisse Flüge ausfallen. Verspätungen und in der Folge überbuchte Flüge sind also keine Seltenheit.
Das US-Verkehrsministerium listet im ersten Quartal 2021 genau 746 Personen auf, die unfreiwillig vom Flug gestrichen worden waren. Im Vergleichszeitraum 2022 verzehnfachte sich beinahe diese Zahl auf 7333 Passagiere. Allerdings hatte sich im gleichen Zeitraum der Passagierverkehr von rund 93 Millionen auf 167 Millionen Fluggäste noch nicht einmal verdoppelt.
Es gibt sogar eine Hitliste der Airlines mit den meisten „bumped passengers“, also Fluggästen, die man quasi von ihrem Sitzplatz „geschubst“ hat. Dem US-Verkehrsministerium zufolge führte 2020 American Airlines diese Negativliste mit 2816 Passagieren an, die unfreiwillig am Boden blieben. Es folgten mit großem Abstand Southwest Airlines mit 893 und Alaska Airlines mit 108 Personen. United Airlines belegte mit 16 Betroffenen Platz sechs und Delta Air Lines mit nur einem stehengelassenen Fluggast Platz acht.
So unterschiedlich die US-Airlines offensichtlich mit dem Thema Überbuchung umgehen, so unterschiedlich fielen auch die Entschädigungssummen aus, die ein vom Flug gestrichener Kunde erhielt. Dem verbraucherfreundlichen Finanzportal financebuzz.com zufolge kompensierte American Airlines Leidtragende mit im Schnitt 433,61 US-Dollar, Southwest Airlines mit 575,62 US-Dollar und Alaska Airlines mit 823,69 US-Dollar. Doch das sind durchschnittliche Anhaltspunkte.
Das US-Verkehrsministerium hat festgelegt, wie viel jemand erhält, wenn er unfreiwillig am Boden bleibt. Für inneramerikanische Strecken berechnet sich die die Höhe danach, um wie viele Stunden später der Betroffene sein Ziel erreicht. Ein bis zwei Stunden später bedeutet 200 Prozent von dem, was das One-Way-Ticket gekostet hat, aber nicht mehr als 675 US-Dollar. Bei über zwei Stunden später vervielfacht sich die Summe um 400 Prozent des ursprünglichen Preises, jedoch maximal 1350 US-Dollar. Für europäische Verhältnisse ist das üppig. Doch das Verkehrsministerium plant eine Verdopplung dieser Sätze.
Soweit zu den Pflichtentschädigungen. Interessant wird es für Reisende, wenn es um die freiwillige Aufgabe des Sitzplatzes geht. Da gibt es keine Grenzen und die Höhe der Belohnung ist reine Verhandlungssache. Sie richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Sind viele Fluggäste bereit, ihren Sitzplatz für einen gewissen Betrag aufzugeben, sinkt logischerweise die Höhe der Verzichtsprämie. Meldet sich keiner, dann steigt der Preis.
Das, schreibt die US-Zeitung Washington Post, könnten Reisende zu ihren Gunsten ausnutzen. Delta Air Lines bot im vergangenen Jahr für einen überbuchten Flug von Michigan nach Minnesota allen, die sich auf einen späteren Flug umbuchen ließen, 10 000 US-Dollar. Gesucht wurden acht Fluggäste. Und eine Frau auf dem Weg von New York nach Florida erzählte der Zeitung, dass sie für 3000 US-Dollar bereit war, das Flugzeug von Delta zu verlassen. Wohlgemerkt, in diesen Fällen hat die Airlines jeweils Freiwillige gesucht und den Verzicht auf ihren Sitz mit hohen Summen belohnt.
Doch um überhaupt zu irgendwelchen Geldsummen zu kommen, sind die Hürden hoch. Nur wer einen bestätigten reservierten Flugsitz hat, in der vorgeschriebenen Zeit eingecheckt hat und pünktlich am Gate erschienen ist, darf auf Geld hoffen. Und auch das nur, wenn die Airlines es nicht schafft, ihn innerhalb einer Stunde der ursprünglich angesetzten Ankunftszeit an sein Ziel zu bringen.
Auch jetzt ist man bei einem überbuchten Flug immer noch nicht der pekuniären Entschädigung nahe. Denn es gibt jede Menge Ausnahmen, die eine Airlines berechtigen, jeden Passagier vom Flug auszuschließen. Keine Kompensation gibt es, wenn …
♦ aus Sicherheitsgründen auf ein kleineres das Flugzeug gewechselt wird
♦ aufgrund von Vorschriften bei Gesamtgewicht und Gleichgewicht bei Flugzeugen mit 60 Personen oder weniger
♦ wenn ein Passagier in einer niedrigeren Flugklasse fliegen muss (dann erhält nur die Preisdifferenz ausbezahlt)
♦ bei Charterflügen
♦ bei kleinen Flugzeugen mit weniger als 30 Passagieren
♦ bei internationalen Strecken (da kommt es darauf an, wo die Airline abfliegt und welche Vorschriften da gelten)
(thy)
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