In Zeiten von drohendem Flugchaos müssen Passagiere auch damit rechnen, dass sie kurz vor dem Abflug vom Flieger gestrichen werden. In so einem Fall sollte man nicht zu schnell den Sitzplatz freiwillig aufgeben.
Immer noch suchen Airports und Airlines händeringend nach Mitarbeitern. Infolge der Engpässe beim Sicherheitspersonal, bei Crews und Piloten rechnen viele Airports erneut mit erheblichen Problemen während der Hochsaison und zu Ferienzeiten. Und damit wächst zugleich die Gefahr von Überbuchungen.
Das heißt, Airlines verkaufen mehr Sitze für einen Flug, als sie haben. Denn Erfahrung und Statistik zeigen, dass nie alle Passagiere mit Tickets auch einchecken. Das Geschäftsreiseportal Travelperk schätzt, dass die Chance, dass alle gebuchten Passagiere tatsächlich an Bord gehen bei 1 zu 10 000 liegt. Wie hoch sie den Prozentsatz dieser sogenannten No-Shows einschätzen, verrät keine Fluglinie. Offenkundig ist nur, dass Airlines aus Renditegründen immer jeden Flugsitz besetzen wollen.
Ein anderer Grund, warum Airlines überbuchen, ist der Umstand, dass immer ein gewisser Anteil von Transit-Passagieren den Anschlussflug nicht mehr erreicht, weil ihr Zubringerflug sich verspätet. In so einem Fall würde der Sitz des Anschlussflugs leer bleiben, wenn es keine Überbuchungen geben würde.
Wie viele Passagiere eine Airline pro Jahr am Boden stehen lässt, ist schwer abzuschätzen. Travelperk weiß von British Airways, dass man von rund einer halben Million Überbuchungen jährlich ausgeht, was der Wahrscheinlichkeit nach zu 24 000 Passagieren führt, denen der Flug verweigert wird. Dem US-Büro für Verkehrsstatistik zufolge waren es im ersten Quartal 2022 im Schnitt 4,4 Passagiere je 100 000, die von ihrem Flug flogen. Das sind fünfmal mehr als im vergleichbaren Zeitraum 2021.
In den meisten Fällen werden bei überbuchten Flügen erst einmal direkt am Gate Freiwillige gesucht, die bereit sind, gegen ein Upgrade oder einen Gutschein auf ihren Flug zu verzichten und die nächste Maschine zu nehmen.
Aber das Fluggastrechteportal Airhelp warnt davor, allzu schnell einzuschlagen. Wer aus freien Stücken den Sitzplatz aufgibt, verabschiedet sich zugleich von sämtlichen Entschädigungsansprüchen. Gemäß der EU-Verordnung 261 steht jedem, dem wider seinen Willen der Flug trotz Bordkarte verweigert wird, eine Kompensation zu.
Die Höhe richtet sich ähnlich wie bei Annullierungen nach der Flugdistanz und bewegt sich zwischen 250 und 600 Euro. Zudem muss die Airline den Passagier weiterhin zu seinem Ziel bringen. Das heißt, während der Wartezeit auf den nächsten Flug hat der Betroffene ein Anrecht auf Verpflegung und – falls es nicht anders geht – muss die Airline ihm auch eine Hotelübernachtung bezahlen.
Wichtig ist, wen immer es bei dieser unfreiwilligen Reise nach Jerusalem trifft, der sollte sich auf jeden Fall schriftlich den Grund geben lassen, warum es keinen Sitzplatz für ihn gab und alles – Bordkarte, Ticket, Bewirtungsgutscheine – zu Dokumentationszwecken aufheben.
Verzichtet niemand freiwillig auf seinen Sitzplatz, haben die Angestellten der Airline die unangenehme Aufgabe, entsprechend viele Fluggäste auszusuchen, die nicht mitfliegen dürfen. Manche Airlines lassen das den Computer entscheiden. Doch es gibt Anhaltspunkte, wie die Auswahl erfolgt.
Als erstes trifft es Passagiere, die zu spät am Gate erscheinen. Deswegen empfiehlt es sich, nie in allerletzter Minute zum Einsteigen zu erscheinen. Jede Airline gibt beim Einchecken eine Meldeschlusszeit (Close-out-Time) fürs Gate an. Die steht auf der Bordkarte. Wer sich nicht an diese Zeit hält, riskiert seinen Flug, ohne dass die Airline dann regresspflichtig wäre. Als nächstes sind Kunden mit den billigsten Tickets dran.
Schließlich gibt es Kundengruppen, die weder ein Computer noch das Airline-Personal stehenlassen würde. Das sind Personen mit einem Handicap und unbegleitete Minderjährige. Es folgen Familien mit kleinen Kindern und natürlich Vielflieger, mit denen die Fluglinie als Stammkunden gute Geschäfte macht.
(thy)
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