Seit dem Zerfall der Sowjetunion hat sich Lettland zu einem der spannendsten Hotspots für Start-ups entwickelt. Wir sind hin – und weg
Hier oben, im 26. Stock des Radisson Blu Latvija, läuft gerade ein Remix von „Scooby Snacks“ von den Fun Lovin’ Criminals, an der Decke drehen sich zwei Discokugeln und werfen Schlaglichter auf Businessgäste im Anzug. Draußen dämmert es, die goldene Kuppel der russisch-orthodoxen Kirche strahlt gegen einen wassermelonenfarbenen Himmel an, der Esplanade- Park ruht in sattem Grün. Die Drinks heißen hier „Falscher Insel-Eistee“, „Was Frauen wollen“ oder „Kokain“ und werden kräftig nachgefragt. Die Skyline Bar ist vermutlich die schillerndste in Riga, sie könnte ebenso gut in Moskau oder Dubai stehen.
Für einen Außenstehenden ist es beinahe unmöglich, sich vorzustellen, wie anders sich das Leben gestaltete, als das Land noch von den Sowjets besetzt war. „Riga war 1991 ein unschöner Ort – bitterarm, verwahrlost, dem Verfall preisgegeben“, sagt der örtliche Tour-Guide Juris Berze. Die Russen übernahmen 1944 das Ruder, und es dauerte bis 1991, bis Lettland seine Unabhängigkeit wiedergewann. Dazwischen waren die Zeiten hart für ein Volk, das zuvor schon Jahre unter den Nazis gelitten hatte. Seit dem Zerfall der UDSSR hat Lettland eine rapide Wandlung vollzogen, die freie Marktwirtschaft eingeführt und dabei zwei Finanzkrisen überstanden. Seit dem Jahr 2000 hat das Land eine der höchsten Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes in Europa verzeichnet und ist der am schnellsten wachsende Staat im Baltikum vor Estland und Litauen. Lettland trat 2004 der EU bei und führte 2014 den Euro ein, just in dem Jahr, als Riga Europäische Kulturhauptstadt wurde.
Heute generiert die lettische Hauptstadt die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes, das im vergangenen Jahr bei 27 Milliarden US-Dollar lag. 2016 belegte Lettland außerdem Platz 22 im Ranking der Länder mit den besten Voraussetzungen fürs Business, das die Weltbank alljährlich aufstellt und in dem 189 Staaten analysiert wurden. Auch in der Eignung für Unternehmensgründungen schnitt das Land gut ab: Lettland rangiert auf Platz 27, Initiatoren brauchen nur 5,5 Tage, um eine Firma registrieren zu lassen. Im restlichen Europa liegt der Durchschnitt bei zehn Tagen. Und, ganz nebenbei: Es gibt Tausende freier WiFi-Hotspots.
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