Je leichter ein Flugzeug ist, desto weniger Energie braucht es. Es wäre also wünschenswert, wenn Passagiere und Personal immer leichter werden würden. Tun sie aber nicht – mit einer Ausnahme.
Kürzlich schlugen zwei Nachrichten kleinere Wellen. Sie hatten beide mit dem menschlichen Gewicht zu tun. Einmal meldete Air New Zealand, dass im Juni am Airport von Auckland Gäste mit internationalen Zielen auf die Waage gebeten werden, natürlich nur freiwillig.
Ein paar Tage später berichteten die Fachportale der Luftfahrt, dass die chinesische Hainan Airlines seit Juni Stewardessen mit Flugverbot droht, wenn ihr Gewicht nicht mehr der Norm entspricht. Der Richtlinie zufolge berechnet sich das Standardgewicht einer Hainan-Stewardess, wenn sie die eigene Körpergröße (cm) minus 110 nimmt. Das heißt, eine 160 Zentimeter große Flugbegleiterin sollte idealerweise 50 Kilo wiegen. Bei fünf Prozent mehr wird monatlich gewogen, wer zehn Prozent mehr auf die Waage bringt, wird suspendiert und muss abspecken.
Viele Airlines richten sich beim Thema Gewicht nach dem Body Mass Index (BMI). Der liegt bei Air India für Frauen zwischen 18 und 22, für Männer zwischen 18 und 25. Alles darüber gilt als übergewichtig, alles über 27 als adipös. Dass die indische Staatslinie sich nicht zu schade ist, dies auch rigoros durchzusetzen, hat sie zuletzt 2014 bewiesen. Da wurden bei einer Kontrolle der 3500 Crew-Mitglieder 600 für übergewichtig befunden. 130 darunter, überwiegend Frauen, zog man sofort von Bord ab. Der Rest erhielt ein halbes Jahr, um abzunehmen.
Experten und Gewerkschaften halten die Fixierung auf ein Normgewicht für übertrieben. Es ist mehr dem Sexismus und dem Bestreben der Airlines geschuldet, möglichst gutaussehende Markenbotschafterinnen in die Luft zu schicken. So sagte der Luftfahrtexperte Mark Martin damals der indischen Daily Telegraph, dass Mitarbeiter an Bord in regelmäßigen Übungen eher nach Erfahrung, Umgang mit Passagieren und Routine in Notlagen beurteilt werden sollten.
Während Asiens Airlines offensichtlich kein Problem haben, zu dicke Stewardessen auf den Boden zu verbannen, werden Passagiere jeder Gewichtsklasse an Bord gelassen. Aufschläge für einen zu hohen BMI gibt es nicht. Wenn aber Air New Zealand Freiwillige auf die Waage bittet, um das Durchschnittsgewicht der Passagiere neu zu bestimmen, dann macht sie das, weil nicht nur Neuseelands Einwohner immer schwerer werden. Je präziser aber das Gewicht und Gleichgewicht eines Flugzeugs bestimmt werden können, desto effizienter und sicherer kann geflogen werden.
Dass die Bevölkerung immer dicker wird, weiß auch die US-Gesundheitsbehörde CDC. Im Schnitt wog 2005 ein Mann rund 86 Kilo, eine Frau 75 Kilo. 2018 waren es bereits 90 Kilo bzw. 77 Kilo. Wegen des steigenden Gewichts der Amerikaner weist das US-Luftfahrtbundesamt FAA daher die Airlines an, sich jeweils an die aktuelle Gewichtsstatistik des CDC zu halten und im Winter wegen der Kleidung ein paar Pfund mehr draufzupacken.
Natürlich weiß auch die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA), wie viel ein EU-Passagier im Schnitt wiegt. 2008 wurden erstmals dafür EU-Reisende und ihr Handgepäck gewogen, um Standardwerte zu entwickeln. Zehn Jahre später sollte nachgewogen werden in der Annahme, dass der Durchschnitts-EU-Fluggast schwerer geworden ist. Doch die neue Studie, die wegen der Pandemie erst 2022 mit 4164 freiwilligen Passagieren durchgeführt werden konnte, förderte eine Überraschung zutage.
Ein EU-Fluggast, der in diesem Fall kein Geschlecht hat, wiegt durchschnittlich 76,3 Kilo plus 7,7 Kilo Handgepäck, macht insgesamt 84 Kilo. Das entspricht genau dem errechneten Gewicht von 2008. Und noch eine weitere Erkenntnis brachte die EASA-Studie ans Licht: Entgegen der üblichen Annahme, haben Männer, nicht Frauen (!), mehr Handgepäck auf ihrem Flug dabei.
(thy)
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