Synthetisches Kerosin – auch E-Fuel oder SAF genannt – ist die große Hoffnung, wenn es ums klimafreundliche Fliegen geht. Zu Recht? Wir haben die Fakten zusammengestellt
Fliegen, ohne dabei dem Klima zu schaden: Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Aber genau das versprechen Fluggesellschaften, Politik und Energiekonzerne. Möglich machen sollen das sogenannte E-Fuels, also Treibstoff, der keinen Dreck macht. Was sind Sustainable Aviation Fuels (SAF)? Können sie das Problem lösen? Und gibt es genug? Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Es soll das Fliegen aus der Klimakrise retten: synthetisches Kerosin, auch Electro-Fuel, E-Fuel oder Sustainable Aviation Fuel (SAF) genannt. Dabei handelt es sich um ganz normalen Treibstoff, der allerdings nicht aus Erdöl, sondern aus dem CO2 der Luft und aus “grünem” Wasserstoff sowie mit Hilfe von ziemlich viel Energie produziert werden kann. Einmal hergestellt können diese E-Fuels überall eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden – im Flugzeug, aber auch im Schiffsverkehr, im Auto und in der Industrie. Als nachhaltig gilt der grüne Treibstoff, obwohl auch bei seiner Verbrennung in der Flugzeugturbine Kohlendioxid entsteht. Weil das aber zuvor der Atmosphäre entnommen worden ist, kommt es netto zu keinen Emissionen.
Technisch funktioniert die Herstellung von E-Fuels aus CO2 der Luft und Wasserstoff längst. Allerdings wird davon bislang nur sehr wenig in einigen Testlabors hergestellt. Im Herbst 2021 hat zum Beispiel die Klimaagentur Atmosfair im Emsland eine kleine Anlage zur Erzeugung von SAF aus Wasserstoff und aus CO2 aus der Luft errichtet – etwa eine Tonne umweltfreundliches Rohkerosin wird dort täglich produziert. Doch selbst wenn die gesamte Energiebranche sofort riesige Produktionen aufbauen würde, dann fehlte es weiter an einer wichtigen Zutat: extrem viel Energie aus Sonnen- oder Windkraft. Experten schätzen allein den Bedarf der Luftfahrtindustrie auf das Dreifache der aktuell verfügbaren nachhaltigen Energie. Und außer der Luftfahrt setzen ja auch die Autobauer, Schiffsreedereien und chemische Industrie auf E-Fuels.
Ja, Fluggesellschaften wie Lufthansa und Singapore Airlines bieten bereits E-Fuel-Tarife, sogenannte Green Fares, an. Die funktionieren ähnlich wie Ökostromverträge. Weil aber echtes synthetisches Kerosin noch nicht kommerziell verfügbar ist, greifen die Hersteller momentan noch auf Treibstoff aus Biomasse zurück. Das sind etwa gebrauchte Frittieröle und Tierfette. Damit kann der CO2-Ausstoß zwar nicht um 100, aber immerhin um 80 Prozent reduziert werden. Auch von Biomasse-Kerosin gibt es viel zu wenig: Die momentan produzierte Menge reicht gerade für 0,2 Prozent des Bedarfs. „Allein in Deutschland brauchen wir derzeit ungefähr zehn Millionen Tonnen Kerosin jährlich“, schätzt Adrian Willig vom industrienahen Wirtschaftsverband en2x.
Grundsätzlich ja. Chemisch besteht kein Unterschied. Und ganz neu ist die Technologie auch nicht. Der erste Testflug mit SAF fand bereits 2008 statt. Trotzdem ist das Bundesluftfahrtamt vorsichtig. Bislang dürfen nur maximal 50 Prozent SAF beigemischt werden. Aktuelle Testflüge von Emirates und Braathens funktionierten aber bereits mit 100 Prozent E-Fuel.
Noch ist synthetisches Kerosin rund drei- bis fünfmal so teuer wie herkömmlicher Flugzeugtreibstoff. Das liegt unter anderem am schlechten Wirkungsgrad. Der ADAC spricht von “hohen Wirkungsverlusten”: Von der bei der synthetischen Treibstoffherstellung eingesetzten Energie bleiben am Ende nur zehn bis 15 Prozent übrig, schreibt der Automobilclub. Zum Vergleich: Beim Elektroauto kommen 70 bis 80 Prozent der Ausgangsenergie am Rad an. Für Autos, für die der Bundesverkehrsminister synthetische Kraftstoffe ja auch präferiert, sind sie also vergleichsweise ineffizient.
Das wird auch getan. Schließlich ist es die simpelste klimafreundliche Antriebsform. Aber es gibt da ein sehr großes Hindernis: Die notwendigen Batterien sind mit heutigen Techniken zumindest für Langstreckenflüge zu schwer. Elektroantriebe eignen sich für Kurzstrecken, die machen aber nur einen geringen Teil des Luftverkehrs und seiner Emissionen aus. Deshalb wird fieberhaft an Alternativen wie grünen Wasserstoff-Antrieben geforscht. Aber kurzfristig ist das keine Option: Flugzeughersteller Airbus erwartet mit Wasserstoff betriebene Flugzeuge nicht vor 2035. Zudem braucht es für Elektro- wie für Wasserstoffantriebe außer neuen Flugzeugen auch eine komplett andere Infrastruktur an den Flughäfen. SAF kann dagegen mit den vorhandenen Flugzeugen und Tankfahrzeugen genutzt werden.
Das ist die große Frage. Die Branche setzt dabei auf die Kraft des Marktes: Wo die Nachfrage hoch ist, wird es bald ein ausreichendes Angebot geben, ist die Erwartung. Und dass die Nachfrage steigen wird, steht sogar im Gesetz: In vier Jahren müssen Flugzeuge 0,5 Prozent E-Kerosin tanken. Und in acht Jahren werden bereits zwei Prozent E-Kerosin beigemischt sein müssen. Auch die Europäische Union macht Druck: Fluggesellschaften sollen künftig für ihre Treibhausgas-Emissionen bezahlen und dafür Emissions-Zertifikate kaufen müssen. Die Kosten von Erdöl- und synthetischem Treibstoff werden sich dadurch annähern. Befürworter sehen Chancen für die E-Fuels überall dort, wo viel Strom produziert und nicht durchgängig genutzt wird. Das gilt zu bestimmten Zeiten für Windparks und künftig vielleicht für Sonnenenergie aus der Wüste sowie für Geothermie. Aber da spricht man von einem Zeithorizont von Jahrzehnten.
Allein wird der grüne Treibstoff die Flugreise zwar nicht in die Nachhaltigkeit tragen können. Aber Optimisten billigen ihm eine führende Rolle von 50 bis 75 Prozent der angestrebten CO2-Reduktion in der Luftfahrt zu. Viel gewonnen wäre bereits für Fachleute wie Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm, wenn das knappe Gut E-Fuels dort eingesetzt würde, wo es klimamäßig am meisten bringt. Konkret: nicht für Autos. “Wir können Flugzeuge nicht voll elektrifizieren. Und da bieten sich dann E-Fuels an”, sagte Fichtner dem Norddeutschen Rundfunk. Ins gleiche Horn bläst Tim Bölkens vom Karlsruher E-Fuel-Start-up Ineratec: “Wann immer ich den Strom direkt nutzen kann, dann sollte ich das tun. Das ist das effizienteste. Aber wenn ich ihn nicht anders nutzen kann, dann sollte ich ihn umwandeln in E-Fuels.”
(hwr)