Nur und Bett und Bad war gestern: Immer mehr Herbergen brechen alte Muster auf – und öffnen ihre Lobbys für Kunst, Konzerte und Clubbing. Eine Branche in Bewegung.
„Wir wollen alles sein, nur kein Hotel“, verspricht Sven Pusch, und man glaubt ihm aufs Wort. Der Chef des Me and all Düsseldorf holte im März mit seinem Eventteam die als Pop-Hoffnung gefeierte
Lea in seine Lobby. Gerade war der Comedy-Slam-Künstler Andreas Weber da. Und alle paar Tage begrüßt das Haus andere Künstler, Nachwuchstalente und lokale Größen. Immer nach dem Motto: First come, First sit. Bei freiem Eintritt, ohne Ticketreservierung. Und wenn die Lounge voll ist, ist sie voll.
Auch im #hotelfriends Düsseldorf Downtown heißt es regelmäßig „Manege frei für Individualisten“, die einen vollen Eventkalender zu schätzen wissen. Das große Thema hier ist die Schulzeit der 1970er-, 1980er-Jahre. Gefeiert wird an der Bar namens #klassentreffen, im #pausenhof und der #aula, insgesamt stehen 700 Event-Quadratmeter in der Lobby samt Bühne zur Verfügung. Im #büdchen gibt’s 24 Stunden am Tag Wundertüten, Wasserpistolen und Kaugummi-Zigaretten.
„Wir verstehen uns in erster Linie als Event-Location. Und als solche machen bei uns vor allem die Menschen und nicht allein die chillige Einrichtung den Unterschied“, begeistert sich Sven Pusch – er, der lange selbst in der klassischen Hotellerie mit ihren Standards und der Nichts-für-Einheimische-Hemmschwelle gearbeitet hat.
Im Me and all rückt der Chef mit seinem jungen, vielfach quer eingestiegenen Team Menschen und Stadt in den Fokus, lässt Hotel und Szene verschmelzen. Den vielen Geschäftsreisenden in der Woche gefällt’s – sie checken regelmäßig ein oder kommen einfach vorbei. Nach dem Business werden sie Teil des Konzertpublikums, stoßen mit Einheimischen an oder treffen Leute aus der Nachbarschaft.
Kiezgefühl statt Konferenzalltag. Das ist bei vielen neuen Häusern, die die wachsende Geschäftsreiseklientel der Millennials für sich entdeckt haben, das Credo. Gäste und Einheimische sollen das Hotel als sympathisches Großstadtwohnzimmer erleben. Die 25hours Hotels hatten damit schon vor Jahren den Anfang gemacht und die Einrichtung von Lobbys und Lounges mit Ohrensesseln, Kissen und Old-Charm-Inventar neu erfunden. Letzten Herbst erst eröffnete das neue 25hours Hotel The Royal Bavarian direkt am Münchner Hauptbahnhof in besagtem Stil.
Bahnreisende und Münchner sind hier jederzeit willkommen, in den vielen Vintage-Sitzecken unterm Hirschgeweih am Laptop zu arbeiten oder einen lockeren Feierabend zu verbringen – egal, ob mit Verzehr oder ohne. Und nur wenige werden hier wissen, dass es in den oberen Geschossen auch eine Rezeption und Zimmer gibt.