„Frauen sind anderen Bedrohungen ausgesetzt.“ Aurore Chatard, Regional Security Manager beim Sicherheitsspezialisten „International SOS“, trainiert weibliche Geschäftsreisende, wie sie sicherer durch die Welt kommen. BT-Chefredakteurin Sabine Galas hat sie interviewt.
BT: Sicherheit auf Reisen ist generell ein großes Thema im Moment, für Frauen aber noch mal ein bisschen größer. Was macht den entscheidenden Unterschied aus?
Aurore Chatard: Frauen sind anderen und auch mehr Bedrohungen ausgesetzt als Männer. Es gibt immer noch Länder, in denen Frauen keine gleichberechtigte Stellung zuerkannt wird. Wenn die Firmen ihre weiblichen Experten ins Ausland schicken, muss man das daher besonders vorbereiten.
An welche Länder denken Sie vor allem?
Das hängt vom Profil der Frau ab. Als Französin mit asiatischen Wurzeln kann ich in viele Länder reisen, in denen mein Aussehen egal ist. In Ländern, in denen man auffällt, kann man dagegen schon mal mit Rassismus konfrontiert werden. Auch verhalten sich Frauen unterschiedlichen Profils anders: Eine Japanerin, die im Ausland die gleichen Sicherheitsstandards erwartet wie zu Hause, ist höheren Risiken ausgesetzt als eine Frau aus Johannesburg, die unbewusst Maßnahmen ergreift, die sie schützen, weil sie es nicht anders kennt.
Titelthema "Wie sich Frauen auf Reisen besser schützen" im neuen Heft 1/2018 des BUSINESS TRAVELLER.
Wie bereiten Sie Frauen auf „kritische“ Länder und Kulturen vor?
Das Wichtigste ist zunächst, dass Frauen ihr Profil kennen. Ich muss wissen, wie mein Profil im Zielland eingeordnet wird und wie die Leute auf mich reagieren. Dann muss ich mich über die dortige Kultur und Einstellung zu Frauen informieren. Das ist ganz einfach: Entweder ich rede mit den Kollegen vor Ort oder mit Leuten, die schon dort waren. Und dann bieten wir bei International SOS spezielle Trainings an …
Was bringen Sie den Frauen bei?
Wir bringen ihnen Grundsätzliches bei: Ich sage den Frauen zum Beispiel, dass sie flache Schuhe tragen sollen, um im Notfall schnell laufen zu können. Und wir bereiten gezielt auf das jeweilige Einsatzland vor: Frauen, die nach Afrika reisen, empfehle ich, einen Ehering zu tragen, um nicht für eine (dort besonders begehrte / Anm. d. Red.) Jungfrau gehalten zu werden. In Südamerika dagegen ist ein Ehering so wertvoll, dass man im Zweifel auch mal den Finger abhackt, um an den Ring zu kommen. Wichtig ist auch, die lokalen Gesetze zu kennen: In Saudi-Arabien etwa durften Frauen bis vor Kurzem nicht Auto fahren …
Gibt es spezielle Musts, die ich als Frau unbedingt beachten sollte?
Ja, wichtig ist, möglichst wenig über sich selbst preiszugeben. Familienverhältnisse, Termine, Pläne oder auch den Umstand, dass man alleine reist, sollte man für sich behalten. Auch Menschen direkt in die Augen zu schauen ist keine gute Idee. Hier in Europa ist es normal, dass ich die Leute direkt anschaue. Aber in den meisten Ländern, auch in Südostasien, wird der direkte Augenkontakt entweder als aggressiv wahrgenommen oder als auffordernd.
Sie raten auch in der europäischen Heimat zur Vorsicht. Hat es Veränderungen gegeben in den letzten Jahren, oder ist und bleibt man auch hier als Frau Freiwild?
Ja, es hat sich insofern verändert, als die Menschen eher gewöhnt sind, dass Frauen wichtige Positionen besetzen. Das Verhalten der Männer aber hat sich leider nicht verändert. In der Pariser U- Bahn haben Frauen immer noch Probleme mit Männern, die ihnen zu nahe kommen. Wichtig ist auch hier, dass man klar und deutlich ist. Distanz wahren, sich auf keinen Fall berühren lassen, nicht zweideutig sein!
Wie steht es um die Einstellung der Arbeitgeber, die ihre (weiblichen) Mitarbeiter ins Ausland schicken? Sorgen sie für die nötige Vorbereitung, oder ist da noch Luft nach oben?
Da ist noch Luft nach oben. Es gibt immer noch Arbeitgeber, die denken, „ist doch egal, ich schicke eine Expertin“, und denen nicht klar ist, dass eine Frau besonderen Risiken und Bedrohungen ausgesetzt ist. Dieses Bewusstsein muss erhöht werden. Wir helfen den Firmen dabei, die Frauen vorzubereiten auch in Sachen Logistik, sichere Hotels, sichere Transportmöglichkeiten. Auch halten wir die Firmen an, die Frauen zu fragen, was sie brauchen. Für sie eine Community zu schaffen, mit der sie sich austauschen können.
Wie sieht für Sie das optimale Sicherheitspaket aus, das Unternehmen für ihre weiblichen Mitarbeiter schnüren sollten?
Ein Training anbieten, die Leute vorbereiten, auch die lokalen Partner: „Passen Sie auf, die Expertin, die zu Ihnen kommt, ist die beste, die wir haben!“ Und dann sollte es natürlich einen Kontakt geben, intern im Unternehmen oder einen externen vom Unternehmen beauftragten Dienstleister, den man anrufen kann, wenn es Probleme gibt. Aber das gilt nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.