zuletzt aktualisiert: 10.4.18, 7:40
Wenn die Flugzeuge wegen Streiks wieder mal nicht abheben, dann heißt es für die Passagiere kühlen Kopf bewahren. Wir geben Tipps, wie der Streik nicht zum Alptraum wird
Diesmal ist es das Bodenpersonal: Die in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi organisierten Betanker und Gepäckabfertiger legen den Luftverkehr von und nach Frankfurt, München, Köln und Bremen lahm. Bei anderen Gelegenheiten streikten die Fluglotsen, das Bordpersonal und immer wieder die Piloten: Nirgendwo tobt der Arbeitskampf so intensiv wie im Luftverkehr. Für den Passagier ist das ein Fiasko: Man kann ja ruhigen Gewissens fast keine Reise mehr planen. Was tun, wenn es einen trifft? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Eine verbindliche Auskunft kann nur der Vertragspartner geben: Das ist bei Linienflügen die Fluggesellschaft, bei organisierten Reisen der Veranstalter. Deren Webseiten informieren an Streiktagen meist bereits auf der Startseite über die aktuelle Situation. Regelmäßig sind Telefon-Hotlines eingerichtet, die individuelle Lösungen anbieten. Oft darf man an Streiktagen mit dem Flugticket auch Bahn fahren, den Flugtag wechseln oder man wird über eine andere Strecke geroutet. Lufthansa informiert auch per SMS, wenn die Handynummer mitgeteilt wurde, sowie im Internet unter „Meine Buchungen“. Tipp: Drucken Sie sich die Internetseite aus, um im Zweifelsfall hinterher einen Nachweis zu haben.
Air France | ⇒ FLUGSTATUS | |
British Airways | ⇒ FLUGSTATUS | ⇒ AKTUELLE streikINFOS |
Emirates | ⇒ FLUGSTATUS | |
Eurowings | ⇒ FLUGSTATUS | ⇒ AKTUELLE STREIKINFOS |
Lufthansa | ⇒ FLUGSTATUS | ⇒ AKTUELLE STREIKinfoS |
Singapore Airlines | ⇒ FLUGSTATUS | |
Turkish Airlines | ⇒ FLUGSTATUS |
Wer mit der Fluggesellschaft keinen Kontakt aufnehmen konnte, der sollte unbedingt zur ursprünglichen Abflugzeit am Flughafen sein. Das gilt auch, wenn zum Beispiel der Flughafen längst die Annullierung des gebuchten Flugs auf der Webseite mitgeteilt hat. Die Fluggesellschaft könnte ja kurzfristig eine Umbuchung oder einen Ersatzflug anbieten. Wer den dann verpasst, um den muss sie sich nicht mehr kümmern.
Wenn ein Flug annulliert wird, entbindet das die Fluggesellschaft nicht von ihrer Beförderungspflicht. Sie muss, so sehen es die EU-Fluggastregeln vor, dem Passagier eine Ersatzbeförderung besorgen – notfalls von einer fremden Fluggesellschaft. Ersatzbeförderung heißt: Fluggesellschaft oder Veranstalter müssen ihre Passagiere so schnell wie möglich ans Reiseziel bringen. Bei einem kurzen Streik kann es also ausreichen zu warten, bis der Flugbetrieb wieder aufgenommen wird. Bei längeren Streiks müssen Airline bzw. Veranstalter die Passagiere zum Beispiel mit Bahn oder Bus zu einem anderen Flughafen bringen und von dort aus zum Reiseziel.
Was passiert, wenn ich am Flughafen festhänge?
Die Fluggesellschaft (bei organisierten Reisen: der Veranstalter) muss gestrandete Kunden betreuen. Bei längerer Wartezeit haben Passagiere Anspruch auf Getränke und Essen, üblicherweise erhalten sie dafür Gutscheine. Konkret kann der Passagier von der Airline während der Wartezeit Erfrischungen, Mahlzeiten und Übernachtungen samt nötigen Transfers verlangen. Laut EU-Richtlinie 261/2004 beginnt dieser Anspruch bei kurzen Flügen bis zu 1500 Kilometer ab zwei Stunden Verspätung. Zwischen 1500 und 3500 Kilometern greift die Regel nach drei Stunden, ab 3500 Kilometern Flugstrecke nach vier Stunden. Diese Pflicht für die Fluggesellschaft gilt verschuldensunabhängig. Sie muss dem Fluggast also helfen, egal ob die Verspätung durch eine Radarausfall oder einen Pilotenstreik entstanden ist.
Verschiebt sich der Flug auf den nächsten Tag, muss die Fluggesellschaft bzw. der Veranstalter eine Hotelübernachtung organisieren und bezahlen.
Das kommt drauf an. Wem das Warten auf einen Linienflug zu lange dauert, der kann bei einem annullierten oder mehr als fünf Stunden verspäteten Flug zurücktreten und sich den Ticketpreis wieder ausbezahlen lassen. Damit ist die Airline jedoch aus allen Pflichten entlassen. Dauer der Streik kürzer als fünf Stunden, so muss man diese Verspätung hinnehmen und geduldig warten. Keinesfalls darf man eigenmächtig andere Tickets oder einen Mietwagen buchen und dann hoffen, diese Auslagen von der Airline erstattet zu bekommen. Bei organisierten Reisen ist abzuwägen, ob die gesamte Reise durch den Streik erheblich beeinträchtigt wird. Ein Tag Verlust wird bei einer Wochenreise in der Regel nicht für eine kostenlose Kündigung ausreichen. Der Reisende kann aber Preisminderung geltend machen (siehe unten).
Da heißt es genau hinsehen. Wenn es sich um zwei getrennt gebuchte Flüge handelt, dann ist in der Regel der Passagier der Dumme. Hat er beide Flüge dagegen als Einheit gebucht und ist auch entsprechend abgefertigt worden, dann ist für die Fluggesellschaft erkennbar, dass der von ihr durchgeführte Flug nur eine Teilstrecke ausmacht. In einem solchen Fall sprach das Landgericht Berlin einem Reisenden 600 Euro Entschädigung zu. Der hatte wegen einer Verspätung des Inlandszubringers von Berlin nach Frankfurt seine Langstreckenmaschine nach Kuba nicht mehr erreicht (Az. 54 S 22/13).
Das ist doppelt ärgerlich: Wenn die Flughafenmitarbeiter streiken, dann wird nicht nur die Geduld der Reisenden auf die Probe gestellt. Sie haben auch keine Aussicht auf Schadenersatz. Ansprüche wegen entgangener Urlaubsfreuden kann der Passagier ebenfalls nicht stellen. So urteilen deutsche Gerichte jedenfalls regelmäßig. Ihr Argument: Fluggesellschaften und Reiseunternehmen sind ja nicht die Verursacher des Schadens, sondern selbst Geschädigte. Wenn der Fluglotse im Tower streikt oder das Sicherheitspersonal, dann könne das die Fluggesellschaft nicht beeinflussen. Die Richter sprechen in so einem Fall von „höherer Gewalt“ (Az. X ZR 104/13 und X ZR 121/13).
Leider ja. So sieht es jedenfalls der Bundesgerichtshof (Az.: X ZR 138/11). Er bescheinigte der Fluggesellschaft Tuifly bereits im Jahr 2012 „außergewöhnliche Umstände“, als deren Piloten streikten und Flüge verschoben werden mussten. Die Richter argumentierten, dass ein Streik als Waffe in Tarifauseinandersetzungen ja gerade darauf abziele, die „normale Ausübung der Tätigkeit“ zu beeinträchtigen oder vollständig lahmzulegen. Anders als etwa bei einer schlampigen Wartung könne eine Airline den Flugbetrieb in diesem Fall nur sehr bedingt aufrechterhalten. Die Folge: Sie musste keinen Schadenersatz zahlen.
Pauschalurlauber sind bei Störungen der Reise stets besser dran als der Indvidualreisende. Egal ob die Fluggesellschaft streikt oder das Hotelpersonal – immer können sie sich an den Veranstalter wenden. Der muss sich nach dem deutschen Reiserecht nicht nur verschuldensunabhängig um die Urlauber kümmern, sondern bei erheblicher Verkürzung des Erholungsurlaubs auch noch eine Reisepreisminderung hinnehmen. Wie hoch sie ist, das kann man der sogenannten Frankfurter Tabelle oder der aktuelleren Kemptener Reisemängeltabelle (beide zu finden unter www.fuehrich.de) entnehmen. In der Praxis hat der Urlauber meist Anspruch auf Minderung des anteiligen Reisepreises um den entgangenen Urlaubstag.
(hwr)