Hotelmarken gibt es wie Sand am Meer – und fast täglich kommen neue hinzu: Sie heißen Element, H10, Indigo, Super8, HTL, Ruby, Red oder Moxy. Hinter „neuen“ Marken stehen oft altbekannte Hotelgesellschaften und ihre meist in den USA erprobten Konzepte, mit denen sie – von Budget bis Luxus – die ganze Bandbreite des Marktes abdecken wollen. Die Gruppen reagieren damit „auf die zunehmend differenzierteren Kundenansprüche und ein stärker ausgeprägtes Markenbewusstsein“, weiß die Frankfurter Unternehmensberaterin Bianca Spalteholz. Obwohl jeder zweite Geschäftsreisende (54 Prozent) in der Deloitte-Studie „Hospitality 2015“ die Marke als ein entscheidendes Kriterium für die Hotelwahl angab, ist der Gast ein vergleichsweise treuloses Wesen, das gerne die Betten wechselt und nur wenig Gründe kennt, dies nicht zu tun. „Die entscheidende Aufgabe der Zukunft ist es, ihm diese Gründe zu geben“, folgert Prof. Dr. Marco A. Gardini von der Touristik-Hochschule Kempten. Die neuen Player brauchen also ein Konzept, mit dem sie sich von den Mitbewerbern abheben, denn „die Positionierungen sind oft nicht wirklich trennscharf“, analysiert Spalteholz. Die Hardware mit Regenwalduschen, Boxspringbetten, Kissenmenüs, Docking-Stationen, WLAN und riesigen Flachbildschirmen gleicht sich immer mehr an, unabhängig von der Hotelkategorie. Da Einzelmarken zunehmend auf eine offizielle Klassifizierung verzichten, steht ihr Produkt auch gleich für eine Kategorie. Paradebeispiel ist in dieser Disziplin die Marke Motel One, die für Budget-Lifestyle steht und dies mit hoher Qualität von Bettwäsche bis Badearmaturen gegenüber Mitbewerbern wie B&B oder Ibis untermauert.
Am meisten Bewegung gibt es derzeit in der Budget- und Mittelklasse mit Themen wie Design, Lifestyle und Hi-tech – man will weg vom Einheitslook, hin zu Hotels mit „homey feeling“. In guten Citylagen kostet viel Raum viel Geld. Also setzen die Newcomer auf viele, eher kleine Zimmer und großzügige Lounges. Letztere ersetzen die sterile Hotelhalle und bilden eine Art Multifunktionsraum, in dem sich der Gast von früh bis spät aufhalten, arbeiten, essen und seine Netzwerke pflegen kann. Diese „Wohnzimmer für Großstadtnomaden“ haben die 25Hours Hotels populär gemacht, die Konkurrenz zieht nach. Gäste dürfen in Designersesseln vor dem Kamin lümmeln, surfen, Cocktails schlürfen und via Hotel-App einen Jogging- oder Skat-Partner suchen wie im neuen Wyndham Grand Frankfurt. Auch das erste Haus der neuen Ruby-Kette im 3. Wiener Bezirk bittet Gäste in die „Gallery Kitchen“, einen Gemeinschaftsraum mit Bügelstation und Selbstbedienungsautomaten für kostenlose Heißgetränke, hochwertige Snacks und nützliche Reiseaccessoires vom Schirm bis zu den Slippern. In den Gemeinschaftsküchen der Meininger Hotels kommt beim gemeinsamen Kochen gar eine Art WG-Feeling auf. Alles ganz im Sinne der Markenerfinder: Gäste bilden eine Community, das gemeinsame Erleben bindet an die Marke.
Ähnlich ausgerichtet ist das Konzept der aktuell boomenden Apartment- und Boardinghäuser, deren zentrales Kommunikationszentrum eine multifunktionelle Lounge ist. Auch auf diesem Markt tummeln sich etliche Newcomer: Der Hotelgigant Starwood etwa feiert im Sommer 2014 das Europadebüt seiner „grünen“ Marke Element im Frankfurter Flughafenstadtteil Gateway Gardens. Element setzt auf Nachhaltigkeit und Komfort für Langzeitgäste. Alle Häuser sind nach dem internationalen Umweltstandard LEED-zertifiziert und haben in ihren Zimmern eine voll ausgestattete Küchenzeile, Regenduschen und die für ihren Schlafkomfort bekannten „Westin Heavenly Beds“. Ein solches Konzept spricht keineswegs nur Langzeitgäste an. Kürzlich hat die singapurische Apartmenthotel-Gruppe Ascot mit dem Citadines Frankfurt bereits ihr drittes deutsches Haus eröffnet. Direkt gegenüber entstehen im Frankfurter Europaviertel ein weiteres Adina Aparthotel sowie das erste deutsche Frasers Place Aparthotel der ebenfalls aus Singapur stammenden Fraser-Hospitality-Gruppe. Sie alle bieten: viel Platz und eine eigene, voll ausgestattete Küche inklusive Geschirrspüler und Wäschetrockner – allesamt Angebote, die auch Geschäftsreisende häufig höher schätzen als klassische und oft teuer bezahlte Hotelservices.
Dem guten Schlaf haben sich die Dormero Hotels des Nürnberger Multiunternehmers Rudolf Wöhrl verschrieben. Der Chef persönlich hat die hochwertigen Betten ausgewählt, sein Sohn Maximilian Wöhrl steht für die technische Ausstattung der Zimmer mit zwei Bildschirmen zum Fernsehen und Surfen oder Arbeiten. Die neue Gruppe Ruby mit ihrem ersten Haus in Wien und weiteren in Planung tritt mit dem Slogan „Lean Luxury“ an. Zum schlanken Luxus gehören hochwertige Zimmer, gute Lage und niedrige Preise (ab 69 Euro), definiert Ruby-Entwickler Michael Struck sein Produkt. Die Zimmerkategorien heißen „cosy“, „wow“ und „loft“ und verfügen über eine originelle Waschtisch-Schreibtischkombination, separate Dusche und WC.
Mit Waldorf Astoria und Conrad bedient Hilton das obere Ende des Marktes, bringt jetzt mit Hampton by Hilton Schwung in die 3-Sterne-Hotellerie und steht kurz vor dem Launch eines neuen Lifestyle-Hotelkonzeptes, das gegen die W Hotels von Starwood antreten soll. Die Rezidor-Gruppe will mit ihrer neuen Luxusmarke Qorvus Collection und der Hi-tech-Marke Radisson Red neue Gästekreise erschließen. Während Qorvus aufgrund der niedrigen Raten vorerst nur außerhalb Deutschlands gepusht werde, will man mit Red „eine neue Branchenkategorie unter dem Namen „Lifestyle Select“ schaffen“, erläutert Rezidor-Vice President Willem van der Zee. Red-Gäste können per Hotel-App beim Check-in die Rezeption umgehen, einen Drink an der Bar, Essen vom Deli, Blumen beim Online-Concierge oder ein Taxi bestellen sowie ihr persönliches Profil und ihre Präferenzen verwalten. Eine clevere Idee, bei der die Hoteliers rares und teures Fachpersonal sparen.
Mit Wyndham verbreitet sich nun auch ein aus den USA bekannter Hotelname in Europa. Durch eine Partnerschaft mit den deutschen Grand City Hotels wurden bundesweit 32 Häuser neu beflaggt und in Wyndham, Wyndham Grand oder Tryp by Wyndham umbenannt. Zur selben Hotelfamilie gehört auch die US-Budgetmarke Super8 by Wyndham, deren erstes deutsches Haus im Herbst 2015 im Münchner Stadtteil Nymphenburg eröffnet. Die Übernahme von 20 Hotels der deutschen Queens-Gruppe bescherte der Marke Leonardo des Unternehmers David Fattal deutliche Zuwächse – ihren Gästen allerdings ein Umdenken. Denn statt Holiday Inn oder Best Western heißen die Häuser nun Leonardo und sprechen je nach Namenszusatz von „Inn“ bis „Royal“ unterschiedliche Gästesegmente an.
Unter Indigo – Betonung auf dem zweiten i – begibt sich die InterContinental Hotels Group (IHG) in die Nische individueller Boutiquehotels, die durchaus mehrere hundert Zimmer haben können. Was man aus einem betagten Tagungshotel herausholen kann, beweist das Indigo Düsseldorf als „Lifestyle Hotel mit Fashion-Flair“. Als Standard dürfen Gäste „Wohlfühlbetten“, 24-Stunden-Etagenservice, Regendusche, Kaffeemaschine, gratis WLAN und kostenlose Festnetztelefonate erwarten.
Als Newcomer im gehobenen Budgetsegment wollen die britischen Premier Inns mit einem ausgeklügelten Hotelprodukt hierzulande Fuß fassen. Ihr Versprechen: zentrale Lagen, großzügig geschnittene Bäder, „superbequeme Betten“, reichhaltiges englisches Frühstück und Gratis-Services wie WLAN und Parkplatz. Premier Inn gehört zum größten britischen Hospitalitykonzern Whitbread plc und betreibt über 600 Hotels.
Demnächst wird auch der US-Hotelkonzern Marriott am Budget-Markt teilhaben. Aus der Verbindung von Marriott mit der IKEA-nahen Nordic Hospitality sollen in Europa mittelfristig 150 Häuser der Günstighotelmarke Moxy entstehen. Versprochen wird witziges, frisches Design für technikaffine und budgetbewusste Gäste. Mit Ikea-Möbeln würden die Zimmer jedoch nicht eingerichtet, betont Marriott-Chef Arne Sorensen und kündigt in den kommenden Jahren „Dutzende Hotels“ in Deutschland an. Das erste deutsche Moxy soll Anfang 2015 am Münchner Flughafen an den Start gehen. In Berlin entstehen derzeit zwei Moxys und in den „Gateway Gardens“ am Frankfurter Flughafen ist ein weiteres mit 305 Zimmern im Bau.
Wenig Platz für wenig Geld gilt auch für die EasyHotels, einem Ableger des Billigfliegers EasyJet. Easy-Zimmer – unter anderem in Berlin und demnächst Frankfurt – lassen sich ausschließlich über die Hotel-Webseite buchen. Um die Preise niedrig zu halten, kostet vieles extra: Zimmerreinigung, zusätzliches Kissen, Fön, Adapter, TV-Fernbedienung für Sky-TV und einiges mehr.
H2 steht für ein neuartiges Hotelkonzept, bei dem Gäste „nur das bezahlen, was sie auch wirklich brauchen“. Das junge Hotelprodukt hat bereits in Berlin und München Fuß gefasst und ist nicht zu verwechseln mit der spanischen Hotelkette H10, die mit über 40 Hotels in ihrem Heimatmarkt vertreten ist und neuerdings in Berlin, London und Rom vertreten ist. Das H10 Berlin Ku‘damm ist ein Fullservice-Hotel mit 200 komfortablen Zimmern, Restaurant, Tagungsbereich sowie Beauty- und Fitnesscenter.
Es tut sich also eine Menge am Hotelmarkt, den Überblick zu behalten, wird zunehmend schwieriger. Trotzdem: Auch wenn die Anbieter nach Kräften versuchen, die Alleinstellungsmerkmale ihrer Marke herauszustellen, so bleiben sie letztendlich doch weitgehend austauschbar. Denn: „Ein Bett ist ein Bett!“ Deshalb entscheiden meist Lage, Preis und einfache Buchbarkeit. Oder die Attraktivität des Kundenbindungsprogramms.