Die laufenden Veränderungen in Shenzhen passieren so schnell, dass Besucher, die nur alle paar Jahre kommen, geschockt sind von der Transformation, die diese Stadt durchmacht. Luohu (Lo Wu) war der erste auf dem Reißbrett geplante Distrikt, heute der wichtigste Shenzhens, berühmt für seine Einkaufsmöglichkeiten und sein Nachtleben, aber auch als wichtige Grenze für alle, die nach Hongkong wollen.
Etwa vor fünf Jahren verschob sich der kommerzielle Fokus auf Futian, das aktuelle Businesszentrum der Stadt, in dem heute die Mehrheit der Kreditinstitute sowie Regierungsbüros zu finden sind. Nahezu alle internationalen Luxushotel-Marken haben versucht, ein Stück vom Kuchen abzubekommen: Shangri-La, Four Seasons, Ritz-Carlton, Marco Polo, Sheraton, Hilton, Langham, Mandarin Oriental – auch Marriott und Hyatt haben bereits Verträge für Häuser in Shenzhen unterzeichnet. „Die Nachfrage ist immer noch sehr hoch“, erklärt Huang. „Wir haben mehr Business Traveller hier als je zuvor. Früher waren es mehr Urlauber, heute liegt die Quote der Geschäftsreisenden bei 95 Prozent.“
Das neue Shenzhen ist längst über die Grenzen des „neuen“ Futian-Businesszentrums hinausgewachsen und breitet sich in Richtung Nanshan im Westen aus. Während andere Städte darum kämpfen, als Asiens Silicon Valley wahrgenommen zu werden, hat Shenzhen den Titel längst für sich gepachtet. Die „Fabrik der Welt“ hat sich als fruchtbarer Boden für technologische Innovationen erwiesen.
Und es dürfte tatsächlich kaum einen besseren Ort geben, um Bauteile, Zubehör oder auch Hersteller zu finden, als Shenzhen mit seinen berühmten Elektronik-Malls wie etwa den SEG Electronics Market in Futian, auf dessen acht Etagen man einfach alles bekommt – von der Leiterplatte bis zum LED-Licht.
Dann gibt es noch den Elektronikmarkt in der Huaqiang North Commercial Street – mit 20 verschiedenen Einkaufszentren für Bau- und Ersatzteile der größte seiner Art in der Welt. In diesem Umfeld entstanden eine ganze Reihe von Tech-Giganten inklusive Tencent, Huawei und ZTE. Andere namhafte Branchengrößen wie Alibaba oder Baidu zogen um und eröffneten Niederlassungen in Shenzhen, von den Heerscharen ambitionierter Start-ups ganz zu schweigen. Gemäß einem Bericht der „Financial Times“ ist Shenzhen die Heimat von 180 Gründern und ganz vorne dran in Sachen Online-Services und IoT (Internet of Things)-Applikationen.
Eines der erfolgreichsten lokalen Start-ups ist der Dronen-Hersteller DJI, eines von Chinas zehn wichtigsten Einhörnern, das bereits, als es noch in den Startlöchern stand, eine Marktbewertung von einer Milliarde Dollar erhielt.
„Shanghai ist das Finanzzentrum, Peking Politik und Finanzen und Shenzhen ist das technologische Drehkreuz Chinas“, sagt auch der 30-jährige Ortsansässige Raymond Su, Resident Manager des Kempinski Hote Shenzhen. Warum die Stadt mit modernen Technologien groß geworden ist, liegt – davon ist Su überzeugt – auch an ihrem Alter. „Shenzhen ist eine junge Stadt, nicht einmal 40 Jahre alt. Deshalb gibt es hier keine festgefahrenen Strukturen. Junge Leute können neue Systeme entwickeln und austesten, ob sie funktionieren. Auch die örtliche Regierung ist effizienter als anderswo und es gibt weniger Bürokratie.“
Um junge Talente zu locken und zu halten, betreibt die chinesische Regierung großen Aufwand, schafft finanzielle Anreize wie Steuererleichterungen oder kostenlosen Wohnraum für Hochschulabsolventen, die in die Heimat zurückkehren. Auch die Infrastruktur für einen modernen Lebensstil wird entwickelt – mobile Bezahllösungen, App-gesteuerte Dienstleistungen, Luxusmarken oder coole neue Stadtviertel wie Shekou, wo sich immer mehr Expats und Entrepreneure ansiedeln.