Im Re-Start drohen neue Chaostage am Himmel: Fluggäste müssen Streichkonzert der Fluggesellschaften ausbaden – Verbraucherzentralen raten, sich nichts gefallen zu lassen
Die Corona-Krise macht den Flugverkehr verrückt: Airlines verkaufen reihenweise Flüge, von denen viele nie stattfinden werden. Was tun? Wir geben die richtigen Tipps, damit Sie dem Treiben nicht hilflos gegenüberstehen
Es ist schon wieder jeder achte Passagier betroffen
Der Luftverkehr zieht wieder an. Damit häufen sich leider auch die Flugprobleme für Passagiere in Deutschland. Jeder achte Fluggast aus Deutschland ist von Flugverspätungen oder -ausfällen betroffen, hat gerade das Flugrechteportal Airhelp festgestellt. Mehr noch: Für die schweren Störungen (Ausfall oder mehr als dreistündige Verspätung) sind vorwiegend die Airlines selbst verantwortlich – und nicht etwa die Pandemie.
Für Philipp Kadelbach, Geschäftsführer eines anderen Flugrechteportals (Flightright) hat die Sache Methode: Flüge werden massenweise erst mal im Internet angeboten. Gut zwei Wochen vor Abflug wird dann alles radikal gestrichen, wofür sich nicht ausreichend Gäste gefunden haben. Die Zweiwochenfrist halten die Airlines ein, weil sie erst danach eine EU-Entschädigung zu zahlen haben. Bis 14 Tage vor dem Flugtag ist nur der Ticketpreis zurückzubezahlen, und selbst das wird oft hinausgezögert.
Mancher erfährt erst unterwegs, dass der Rückflug gestrichen ist
Zuletzt trieb dieses böse Spiel immer buntere Blüten. Bisweilen werden Kunden am Reiseziel informiert, dass ihr Rückflug sich in Luft aufgelöst hat. Kadelbach schilderte im vergangenen Herbst der „Wirtschaftswoche“ den Fall eines Passagiers, der im Urlaub auf Fuerteventura eine Mail seines Ferienfliegers erhielt, der lapidar mitteilte: „Bedauerlicherweise ist Ihr ursprünglich gebuchter Flug von einer Flugplanänderung betroffen und musste gestrichen werden … Es kann auf keine alternativen Beförderungsmöglichkeiten zurückgegriffen werden.“
In einem anderen Fall annullierte die Fluggesellschaft einen Rückflug von Dresden nach Düsseldorf. Als Alternative wurde dem Passagier ein Flug ab dem 140 Kilometer entfernten Leipzig angeboten. Als der auf den nächsten Flug ab Dresden umbuchen wollte, sollte das 100 Euro mehr kosten.
Der Ausgleichsanspruch verjährt erst nach drei Jahren
Beide Fälle sind klare Verstöße gegen die EU-Fluggastrechte-Verordnung. Fluggesellschaften sind verpflichtet, einen Rückflug zu organisieren. „Bei Annullierung hat der Gast den Anspruch auf eine alternative Beförderung vom gleichen Flughafen zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, formuliert es Kadelbach. Falls nötig, muss er Unterkunft und Verpflegung sowie eine Entschädigung erhalten – gegebenenfalls auch für mehrere Tage, bis eben der nächste Flieger geht.
Der Ausgleichsanspruch verjährt erst nach drei Jahren – darauf macht das Portal airhelp aufmerksam: “Allen, die seit der Pandemie, aber auch innerhalb der letzten drei Jahre von Flugausfällen betroffen waren, empfehlen wir zu prüfen, ob die erlittenen Probleme zu einer Entschädigung durch die Fluggesellschaft berechtigen könnten.”
Günstig sein Recht einfordern mit der kostenlosen Flugärger-App
Doch wie verschafft sich der Verbraucher sein Recht, wenn die Fluggesellschaft mauert? Die Flugrechtportalbetreiber verweisen natürlich auf ihre Dienste. Ihr Geschäft ist es, die Ansprüche von Passagieren durchzusetzen, sie verlangen dafür aber Prozente.
Günstiger geht’s, wenn man den Empfehlungen der Verbraucherzentralen folgt. „Bei gestrichenen Flügen haben Reisende dank der Europäischen Fluggastrechteverordnung Anspruch darauf, innerhalb von sieben Tagen ihren gezahlten Ticketpreis zurückzuerhalten, auch ohne selbst aktiv zu werden“, erklärt Eva Klaar von der Verbraucherzentrale Berlin. Wenn die Airline nicht zahlt, dann schickt man am besten einen Einwurf-Einschreibebrief und setzt eine Frist von zwei Wochen für die Rückzahlung. In der „Flugärger“-App der Verbraucherzentralen muss man sich die Mail nur noch zusammenklicken.
Wenn die Airline sich wegduckt, hilft die SÖP
Reagiert die Airline dann weiter nicht, kann der Betroffene statt eines teuren Rechtsanwalts auch die Verbraucherzentrale seines Bundeslands oder die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) einschalten. Beide versuchen dann, sich außergerichtlich mit der Airline zu einigen. Die Tätigkeit der SÖP ist für den Verbraucher kostenlos.
Der Trick mit der Kreditkarte
Für alle, die mit einer gängigen Kreditkarte wie Mastercard oder Visa bezahlt haben, weist die Stiftung Warentest noch auf eine andere Lösung hin: das Chargeback-Verfahren. Damit kann man sein Geld noch acht Wochen nach Leistungsausfall (also nicht nach Zahlung) zurückholen. Chargeback ist eigentlich dazu da, Karteninhaber vor Kreditkartenbetrug zu schützen. Es greift aber auch, wenn bezahlte Leistungen nicht erbracht werden, wie bei wegen Insolvenz abgesagten Reisen oder ausgefallenen Flügen. Das sei ganz unstrittig, sagen die Berliner Warentester. Allerdings, so die Stiftung Warentest, informieren manche Banken ihre Kunden darüber nur sehr zögerlich.
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