Es gibt keine Statistik darüber, wie oft sich Fluggäste wegen einer gekippten Rückenlehne streiten. Tatsache ist jedoch, dass eine nach hinten geneigte Lehne nach gewissen Formen der Höflichkeit verlangt.
Erst vor Kurzem ging ein Video viral, dass zeigt, wie ein Mann auf einem Flug der American Airlines ununterbrochen auf die Rückenlehne boxt, um der Frau vor ihm seinen Unmut über den nach hinten gekippten Sitz auszudrücken. Wer ist nun der Grobian? In diesem Fall stellten sich die meisten auf die Seite des verärgerten Fluggasts, weil die Passagierin ihre Lehne dem Mann quasi ins Gesicht gedrückt und auf Bitten, dies nicht zu tun, nicht reagiert hatte. Das Benehmen des Herren ist allerdings auch nicht diskutabel.
Doch Vorfälle wie dieser dürften täglich zigfach vorkommen, vielleicht nicht ganz so vehement, aber ein Wortgefecht, ein Rütteln am Sitz des Vordermanns oder zumindest vernichtende Blickgefechte – das Thema Rückenlehne bleibt heikel. Viele Linienfluggesellschaften haben zumindest den Neigungswinkel der Rückenlehnen bereits reduziert. Bei Delta Air Lines lassen sich in der Economy Class die Lehnen nur noch circa fünf statt ehemals zehn Zentimeter, in der Business Class neun statt früher 14 Zentimeter neigen.
Dabei ist es gar nicht schwer, Streit zu vermeiden. Das Zauberwort dafür heißt „Rücksicht“, eine Tugend, die sich besonders in engen Räumen mit vielen Menschen unterschiedlichster Kulturen bewährt.
Wenn sich der Flugsitz verstellen lässt, dann darf man ihn auch verstellen. Lediglich den Anweisungen der Crew ist jederzeit zu folgen. Allerdings wäre das Mindeste ein Blick nach hinten, bevor die Position des Sitzes verändert wird. Schließlich könnte sich die Person hinter einem ja gerade in einer Position befinden, wo die Lehne sie berühren, gar verletzen könnte. Blickkontakt würde ihr rechtzeitig signalisieren, was man vorhat.
Optimal wäre natürlich, gar mit der fremden Person hinter einem zu reden, sie zu fragen, ob es passt. Also, Blickkontakt aufnehmen und ein freundliches „Vorsicht“ oder auch „Danke“ reichen, um dem Vorgang jene Anonymität zu nehmen, die oft auch passive Aggressivität erzeugt.
Langsam, nicht abrupt die Lehne nach hinten kippen. Dann hat die Person hinter einem noch die Chance, ihr Glas rechtzeitig in Sicherheit zu bringen oder ihre Sitzposition der neuen Lage anzupassen.
Bei Mahlzeiten bleibt die Rückenlehne gerade. So beengt sich jeder im eigenen Sitz auch fühlen mag, wenn die ausgeklappten Tischchen sowieso schon auf dem Schoß sitzen, dann stößt man sie dem anderen nicht noch durch eine gekippte Rückenlehne in den Bauch. In der Regel wird nicht länger als eine halbe Stunde gegessen. Das hält jeder auch mit einer geraden Rückenlehne aus.
Nur die Lehne so weit wie nötig nach hinten verstellen. Diese Regel ist nicht leicht auszuführen. Wieso die Lehne nicht komplett nach hinten lehnen? Das ist doch am bequemsten. Aber was komfortabel für den einen ist, mag eine Einschränkung für den anderen sein. Fingerspitzengefühl ist gefragt. Übrigens: Je weiter ein Sitz nach hinten geneigt ist, desto größer ist das Risiko, dass der Hintermann bei jedem Aufstehen sich an der Lehne hochzieht und folglich ziemlich stört.
In den Billigfliegern gibt schon lange keinen Streit mehr um Rückenlehnen. Sie waren einst die ersten, die flexible Flugsitze abschafften, weil sich so noch mehr Passagiere in eine Maschine füllen ließen. Mittlerweile ziehen auch immer mehr renommierte Airlines nach, zumindest in der Holzklasse auf kurzen und mittleren Strecken die bewegliche Rückenlehne ganz abzuschaffen.
So verzichtet British Airways bei den Flugzeugtypen A320 Neo und A321 Neo auf verstellbare Rückenlehnen. Auch die Lufthansa, inklusive die Töchter Swiss und Austrian Airlines, stattet seit Herbst letzten Jahres ihre Flieger aus der A320-Familie mit neuen Sitzen aus, die sich in der Eco-Klasse nicht mehr nach hinten kippen lassen.
(thy)
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