Die Reform der Fluggastrechte zugunsten der Airlines rückt näher. Verbraucherverbände und Fluggastportale befürchten, dass die Hürden für Entschädigungszahlen künftig sehr viel höher werden.
(Aktualisiert 16.5.25) Die EU-Kommission beabsichtigt entscheidende Veränderungen an den Fluggastrechten. Auf Betreiben der polnischen Ratspräsidentschaft wurde das Thema auf die Tagesordnung der EU-Verkehrsminister gesetzt. Nun könnten die neuen Regeln schon im Juni dieses Jahres verabschiedet werden.
Ziel ist es, Fluggästen erst nach fünf, neun bzw. 15 Stunden Verspätung Kompensation zu gewähren. Das wäre eine erhebliche Veränderung zugunsten der Airlines und zulasten der Verbraucher. Verbraucherorganisationen schlagen also nicht umsonst Alarm. Laut dem Fluggastportal Airhelp waren 2023 fast 287 Millionen Passagiere europaweit von Flugverspätungen oder -ausfällen betroffen. Hinzu kommt, dass auch die Definition der „außergewöhnlichen Umstände“ präzisiert wird. Das heißt Ereignisse wie Streik, Krankheit der Kabinenbesatzung sowie technische Probleme könnten künftig unter diese Rubrik fallen und den Airlines viele Gerichtsverfahren ersparen. Denn nicht jeder verstand unter „außergewöhnlichen Umstände“ das Gleiche.
Mit der Revision der Fluggastrechte hätte die Airline-Lobby ganze Arbeit geleistet. Denn ursprünglich galt die 2004 eingeführte Fluggastrechteverordnung Nr. 261 als Meilenstein für Verbraucher. Damit erhielten Passagiere für Flüge ab der EU je nach Länge der Strecke und Wartezeit eine Entschädigung. Ab drei Stunden und unter 1500 Kilometer Verspätung wurde mit 250 Euro kompensiert, bis 3500 Kilometer mit 400 Euro und ab 3500 Kilometer mit 600 Euro.
Es verwundert also nicht, dass die Luftfahrt-Lobby bereits vor über 20 Jahren für den Fünf-Stunden-Vorschlag warb. Allerdings lehnte das EU-Parlament das ab. 2013 versuchten die entsprechenden Interessengruppen es erneut mit einem Entwurf zugunsten der Luftfahrtunternehmen. Ohne Erfolg.
Nun – über zehn Jahre später – liegt der Vorschlag offensichtlich den beschließenden Gremien wieder vor, in dem unverändert die Kompensationspflicht auf fünf Stunden angehoben werden soll. Damit würden sich die Fluglinien einem Großteil ihrer Zahlungsverantwortung entledigen. Dem Fachmagazin FVW zufolge könnten rund 70 Prozent der verspäteten Flüge ab Europa aus dem Raster fallen, weil Verzögerungen meist unter diesem Limit liegen.
Eine Überholung der Fluggastrechte käme den Fluggesellschaften auch entgegen, weil sich die Lage der Verspätungen kaum verbessert hat bzw. sich jederzeit wieder verschlechtern kann. Vor allem Deutschland kämpft mit Verspätungen. Airhelp zufolge lag die Verspätungsrate mit 34 Prozent 2023 über dem europäischen Durchschnitt.
Eine reformierte Fluggastrechteverordnung könnte es also Passagieren in spe erschweren, ihre Rechte wahrzunehmen. Aber nicht nur Reisende wären die Verlierer. Auch eine ganze Servicebranche rund um das Thema Fluggastrechte bangt um ihre Existenz. Denn seit der berühmten EU-Fluggastrechteverordnung Nr. 261 haben sich zahlreiche Online-Portale wie Airhelp, Compensation2Go, Fairplane oder Flightright, etabliert, die gegen eine Provision Passagieren helfen, ihre Rechte auch einzutreiben. Würden folglich die Konditionen für Verspätungsansprüche erhöht, so würde eine ganze Branche erhebliche Einbußen erleben.
Die Rechnung von beispielsweise Flightright ist ganz einfach: Im vergangenen Jahr gab es rund 2700 mögliche entschädigungsberechtigte Flüge mit mehr als drei Stunden Verspätung in Deutschland. Bei einer Anhebung der Verspätungsgrenze auf fünf Stunden würde diese Zahl auf nur noch 776 Flüge schrumpfen, was lediglich 0,09 Prozent aller Flüge entspricht. Oskar de Felice, Leiter der Rechtsabteilung und Fluggastrechtsexperte bei Flightright, denkt daher nicht nur an die Verbraucher, sondern auch an die Existenzberechtigung von Flightright, wenn er sagt: „Eine Anhebung der Verspätungsgrenze wäre ein Affront gegen Verbraucherrechte und aus unserer Sicht nicht hinnehmbar.“
(thy)
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