400.000 Kunden sind betroffen. Piloten laufen Ryanair in Scharen davon. Anfang vom Ende der klassischen Billigfliegerei?
Das Drama um Ryanair und davonlaufende Piloten spitzt sich in völlig neuen Dimensionen zu. Zusätzlich zu den schon vor 14 Tagen bekannt gegebenen 2000 Flügen streicht Europas größter Billigflieger sage und schreibe 18.000 weitere Flüge und stellt nicht weniger als 25 Flugzeuge bis März komplett außer Dienst. Etwa 400.000 bereits gebuchte Passagiere werden deshalb ihre Reise zumindest nicht zum geplanten Zeitpunkt antreten können.
In Deutschland ist unter anderem die Strecke Berlin – Köln betroffen. Der Flug ist im kompletten Winterflugplan gestrichen. Betroffen sind auch die Flüge ab Hamburg nach Edinburgh, Kattowitz, Torp (vermarktet als Oslo), Thessaloniki und Treviso (wird als Venedig vermarktet). Die Route Memmingen – Sofia fällt ebenfalls weg, genauso wie die Verbindungen von Baden-Baden und Frankfurt-Hahn nach Trapani in Italien.
Insgesamt sind von der gewaltigen Streichung 34 Strecken betroffen, besonders viele ab London und Belfast. Gemeinsam mit den bereits bekannten Streichungen stehen nun fast eine Dreividertelmillion Fluggäste ohne Ticket da.
Ryanair beteuert zwar weiter, dass „99 Prozent unserer 129 Millionen Kunden“ nicht beeinträchtigt würden. Doch mit der radikalen Entscheidung hat der Lowcost-Carrier den Ärger Hunderttausender Kunden auf sich gezogen. Die sozialen Netzwerke sind voller entrüsteter Passagiere.
Daran dürfte auch nichts ändern, dass den betroffenen Passagieren eine Umbuchung (nach verfügbarkeit) angeboten wird oder alternativ eine Rückerstattung. Zusätzlich soll es nach Auskunft eines Unternehmenssprechers Gutscheine in Höhe von 40 Euro pro Strecke geben.
Als offizielle Begründung für die spektakulären Schritte führt Ryanair weiter Fehler bei der Urlaubsplanung der Piloten an. In der Branche ist es jedoch ein offenes Geheimnis, dass Europas Billigflieger Nummer eins sich ganz offenbar bei den Pilotenhonoraren verzockt hat. Das Ergebnis: Die Flugkapitäne laufen Ryanair in Scharen davon und zur besser zahlenden Konkurrenz über.
Fest angestellt Piloten hat Ryanair nur zu einem kleinen Teil. Die allermeisten Piloten arbeiten auf freiberuflicher Basis und bekommen deutlich weniger Geld als bei der Konkurrenz. Das sparte Ryanair bislang eine Menge Geld. Doch jetzt scheint sich die Sache umzudrehen. Aufstrebende Wettbewerber wie Norwegian werben das Cockpit-Personal reihenweise ab. Allein Norwegian teilte kürzlich mit, 140 Piloten von Ryanair unter Vertrag genommen zu haben.
Berichten aus Pilotenkreisen zufolge fordert das fliegende Personal, dass Ryanair in seinen wichtigen Aufkommensmärkten jeweils nationale Beschäftigungsverträge für alle Mitarbeiter einführt – inklusive sozialer Absicherung. In Deutschland läuft bereits ein Verfahren wegen des Verdachts der Scheinselbständigkeit. Einen Betriebsrat hat Ryanair nicht.
(hwr)