Die Maskenpflicht hat viel Streit an Bord ausgelöst. Aber nicht nur deswegen geraten Passagiere und Crew aneinander. Wie aber verhält man sich, wenn so ein Zwist ausartet?
In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der randalierenden Passagiere explodiert. So registrierte die US-Luftfahrtbehörde FAA für das Jahr 2021 rund 6000 Vorfälle von „unruly passengers“. In 72 Prozent der Fälle war die Maskenpflicht der Grund. In Vor-Corona-Jahren meldeten die Airlines im Schnitt 1462 Vorfälle pro Jahr.
Auch in Europa gibt es mehr Vorfälle von Randale an Bord. Der Europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA zufolge ist alle drei Stunden innerhalb der EU die Sicherheit aufgrund pöbelnder Fluggäste gefährdet. In 70 Prozent dieser Fälle kommt es zu gewaltsamen Handlungen. Einmal im Monat muss deswegen sogar ein Flugzeug notlanden.
Dass in einem Flugzeug mit mehreren Hundert Personen auf beschränktem Raum Streit manchmal ausbricht, ist nachvollziehbar. Es ist eng und es gibt keinerlei Rückzugsmöglichkeit. Ein hoher Alkoholpegel etwa, aber auch die ganz persönliche Befindlichkeit tun dann ihr Übriges, und plötzlich befindet man sich in einem Wortgefecht mit einem fremden Menschen über ein völlig nichtiges Thema (meine Rückenlehne, mein Gepäckfach). Zum Glück bleibt es in den allermeisten Fällen beim verbalen Schlagabtausch.
Doch spätestens, wenn eine Partei zu unflätigem Sprachschatz und Beleidigungen in lauterer Tonhöhe greift, stellt sich für die Sitznachbarn die Gretchenfrage: Einmischen oder überhören? Eines könnte man in so einem auf jeden Fall völlig risikolos tun: Ein Crew-Mitglied rufen in der Hoffnung, dass Uniform und geübtes Mediationstraining ihre Wirkung tun, um aufgebrachte Fluggäste wieder zu beruhigen.
Geht nun aber die Auseinandersetzung erst richtig los und der Passagier wendet sich aggressiv jedem zu, der schlichten möchte, dann hilft es, sich ein paar einfache Tipps vom Interventionstraining eigen zu machen. Wie bei jedem Streit im öffentlichen Raum, der ausartet, können auch auf einem Flug die Fluggäste in der Nähe zur Deeskalation beitragen.
Beschimpft und beleidigt der Aggressor das Gegenüber, dann ist es besonders wichtig, dass die Sitznachbarn ihm signalisieren, dass sie nicht einverstanden mit seinem Benehmen sind. Ablenkende, solidarisierende Bemerkungen zugunsten des Angegriffenen haben oft schon eine Wirkung, weil der Angreifer merkt, dass er ganz allein dasteht. Im Idealfall reagieren gleich mehrere Personen und zeigen Empathie mit dem Opfer.
Mit dem bloßen Hinweis, dass das Crew-Mitglied, das gerade beschimpft wird, lediglich seinen Job erledigt, lässt man den Aggressor spüren, dass niemand nicht auf seiner Seite ist. Kein Grund also, auf sie oder ihn einzuhacken. Wird ein Passagier beleidigt, weil er sich zum Beispiel erlaubt hat, ebenfalls Raum für seine Beine zu beanspruchen, dann heißt die Botschaft der Umstehenden: Alle haben die gleichen Rechte. Jeder hier leidet unter der Platznot.
Experten raten ab, sich direkt in brenzlige Lagen einzumischen. Aber weitere Hilfe zu holen, kann nicht falsch sein. Wenn es an Bord nicht zufällig einen Sky Marshall gibt, dann bleibt die Crew die allererste Anlaufstelle, es folgt der Purser, der das Team anleitet. Und wenn alle Stricke reißen, dann wird die Crew mit dem Kapitän besprechen, was zu tun ist. Der hat dann das letzte Wort.
Eine weitere wichtige Unterstützung ist nicht zuletzt die bloße Dokumentation des Vorgangs. Dank Smartphone ist es schließlich kinderleicht, alles aufzunehmen. Aber nicht, um damit die Sozialen Medien mit voyeuristischem Material zu füttern, sondern um den Airlines und Opfern im Falle rechtlicher Verfolgung zu helfen. Die Auswertung von Handyaufnahmen kann bei allen Auseinandersetzungen, die vors Gericht kommen, von großem Wert sein.
(thy)
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