Bekanntes Fluggastportal sattelt um auf Straßenverkehrsrecht und hilft jetzt bedrängten Autofahrern, Knöllchen abzuwehren
In normalen Jahren verdient das Portal Flightright mit dem Ärger von Passagieren über Verspätungen und Annullierungen im Luftverkehr sein Geld. Doch was ist in Corona-Zeiten schon normal? In der Pandemie wird viel weniger geflogen, schon deshalb gibt es wenig Verspätungen und Absagen. Da wollen natürlich auch deutlich weniger Leute als gewöhnlich ihre Fluggastrechte – sprich pauschalen Entschädigungen – einklagen.
Flightright-Geschäftsführer Jan-Frederik Arnold ist allerdings nicht der Typ, still sein Los zu beklagen. Er hat kurzerhand sein Geschäftsmodell um Dienste für Autofahrer erweitert und die neue Marke „Freem“ auf den Markt gebracht. Deren Ziel: Sie will den Autofahrern Rechtsbeistand im Kampf gegen ärgerliche Bußgeldbescheide geben. Der Name stehe für „free mobility“.
Der Grundgedanke: Halbautomatisiert formale Fehler aufspüren
„Ganz egal, ob in München geblitzt oder in Köln zu schnell: Wir sind deutschlandweit für dich da, wenn du bei einem Verkehrsrechtsproblem Hilfe brauchst.“ Mit diesem Versprechen will Freem jetzt bundesweit durchstarten.
Der Grundgedanke dabei: Bußgeldbescheide kann man genauso halbautomatisiert anfechten wie man die pauschalierten Ausgleichszahlungen nach EU-Fluggastrecht eintreiben kann. Arnold ist überzeugt, dass viel mehr Bußgeldbescheide als man denkt unprofessionell und fehlerhaft ausgestellt sind. Und genau da denkt er einhaken zu können.
„Angesichts der hohen Fehlerquote von Bußgeldbescheiden sehen wir hier einen enormen Handlungsbedarf“, sagt Flightright-Boss Arnold. Genauer gesagt verspricht er 80% Erfolgsquote. Die Mehrzahl der Verbraucher sei nur zu unerfahren im Umgang mit den Bußgeldstellen und wüsste nicht, wie man auf einen Anhörungsbogen oder einen Bußgeldbescheid reagieren soll.
Und so soll es funktionieren:
1) Der Autofahrer lädt seinen Bußgeldbescheid auf der Webseite gofreem.de hoch und beantwortet ein paar Fragen zum Verkehrsrechtsfall. Das muss schnell geschehen, denn nach Erhalt eines Bußgeldbescheids kann man den nur innerhalb von 14 Tagen anfechten. Wer diese Frist ungenutzt verstreichen lässt, hat Bußgeld oder Fahrverbot automatisch akzeptiert und kann nicht mehr dagegen vorgehen.
2) Innerhalb weniger Tage antwortet Freem mit einer kostenfreien Ersteinschätzung per E-Mail oder Telefon.
3) Das Legal-Tech-Unternehmen wehrt den Bußgeldbescheid ab. Sobald der Verkehrssünder Freem beauftragt, dann geht das Portal gegen den Bußgeldbescheid vor – der Auftraggeber muss nichts weiter tun.
Was kostet der Spaß?
Erst einmal nichts, verspricht Jan-Frederik Arnold. Die Ersteinschätzung jedes Falles sei komplett kostenlos. Sobald Freem beauftragt ist, fallen allerdings Kosten an. Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, der zahlt nur die Selbstbeteiligung und bei einigen Anbietern dank Sondervereinbarung nicht mal die. Wer nicht versichert ist, der muss die Kosten selbst tragen. Arnold verspricht jedoch, dass im Rahmen der kostenlosen Ersteinschätzung alle Kosten auf den Tisch kommen. Nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) dürfen Verkehrsrechtsanwälte zwischen 150 und 600 Euro je Fall verlangen.
Und wenn damit ein Führerscheinentzug abgewehrt werden kann, dann dürfte sich selbst ein ordentliches Rechtsbeistandshonorar gelohnt haben.
Freem ist natürlich nicht der einzige Anbieter, der Bußgeldbescheide mit Blick auf Einspruchsmöglichkeiten prüft. Andere Anbieter sind z.B. Coduka mit der Marke geblitzt.de sowie Portale wie anti-bussgeld.de, bussgeld-experten.de und bussgeldinfo.org. Sie alle arbeiten mit klassischen Verkehrsrechtskanzleien zusammen, denen durch die jeweilige Portalsoftware ein erheblicher Teil der Arbeit abgenommen wird.
(hwr)