Aeroflot expandiert schnell. Das bedeutet: Mehr Flugbegleiter als jemals zuvor werden benötigt. Im Außenbereich des Flughafens Moskau-Scheremetjewo liegt das Flugbegleiter-Schulungszentrum der Aeroflot. Jährlich werden hier rund 30.000 Mitarbeiter ausgebildet, die meisten davon – rund 28.000 – sind schon länger für die Airline tätig und erhalten dort Weiterbildungsmaßnahmen. Auch die Mitarbeiter der Partnerairlines Rossiya und Pobeda nutzen die Einrichtungen und Expertise des Schulungszentrums.
Asiya Lapina ist sowohl Trainerin als auch Purser/Chefstewardess. Sie erzählt, dass jährlich 2.000 neue Schüler ihre dreimonatige Ausbildung am Schulungszentrum antreten. Bereits angestellte Mitarbeiter kommen jedes Jahr für eine Woche hierher. Ob neu oder alt – der Fokus ist der gleiche. „Für alle Mitarbeiter ist die Sicherheit das Wichtigste. Dann kommt der Service.“
Das Durchschnittsalter der Neueinsteiger liegt zwischen 20 und 25 Jahren. So war es auch bei Asiya, als sie bei Aeroflot einstieg, nachdem sie bereits ihre Lehramtsausbildung absolviert hatte. Warum also hat sie sich beworben?
„Es war meine Liebe zum Reisen, sowie der gute Ruf der Aeroflot“, sagt sie. Aeroflot ist die stärkste Marke der Russischen Föderation, und zudem mit einer schillernden Zukunft und Geschichte.“ Was die Qualitäten anbelangt, die der Job abverlangt, sowie der psychologische Test, den alle Kandidaten absolvieren müssen, hat Asiya eine Grundvoraussetzung ausgemacht, die Bewerber mitbringen sollten: „Sie müssen es lieben, andere Leute zu treffen.“
„Es ist ein schwerer, herausfordernder Job, weil man sich stets in einer ungewöhnlichen Umgebung befindet. Dennoch muss man damit umgehen können, dass es unser Job ist und wir es gewohnt sind, zu reisen. Für viele Passagiere ist es allerdings sehr stressbehaftet und wir müssen zuvorkommend, ruhig und beschwichtigend sein. Zeitgleich repräsentieren wir unser Land, das sagen wir so auch unseren Neuanwärtern.“
„Russen sind von Natur aus freundlich“, sagt Asiya. „Aber wir müssen vielen Neuanwärtern beibringen, dass man Höflichkeit dadurch ausdrückt, indem man lächelt, wenn die Passagiere einsteigen. Und zwar auf eine natürliche, nicht aufgesetzte Art und Weise. Wir wollen, dass Aeroflot russische Gastfreundschaft auf internationalem Niveau ausstrahlt.“
Dieses Niveau ist zweifellos gestiegen, aber Asiya stellt das in einen historischen Kontext, bevor sie erzählt, wie gründlich die Ausbildung ist. „Zu Sowjetzeiten gab es keine wirkliche Service-Kultur. Zu essen gab es „Bluebird Chicken“, was sich nicht nur auf die Farbe des Essens und die fehlenden Auswahlmöglichkeiten bezog, sondern auch auf die Haltung, die das Personal manchmal an den Tag legte. Es gab keine Service-Industrie und eine Anstellung bei Aeroflot war vielleicht auch kein besonders prestigeträchtiger Job, auch wenn man international reisen konnte.“
„Das änderte sich natürlich alles mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Die Airline ist geschrumpft und in verschiedene Fluggesellschaften zersplittert. Aeroflot, die größte davon, zählte vielleicht nurmehr ein paar Millionen Passagiere, nachdem sie nur ein paar Jahre zuvor über 1.300 Millionen beförderte. Zu dieser Zeit und noch Jahre danach wurden Flugbegleiter zum Training ins Ausland geschickt.
Erst nach der Eröffnung des Schulungszentrums im Jahr 2006 und mit der Übernahme von CEO Vitaly Saveliev in 2009 änderten sich die Dinge. „Herr Saveliev macht klar, dass die Airline mehr ist als nur das operative Geschäft und die Beförderung von Menschen von A nach B. Die Qualität des Services rückte in den Fokus der neuen Strategie. Am Anfang wurde eine Gruppe Flugbegleiter in ein weltbekanntes Schulungszentrum in Singapur geschickt, um zukunftsweisende Schulungsqualifikationen zu erwerben“, erzählt Asiya.
„Es macht mich stolz, dass dank einer rigorosen Einführung internationaler Servicestandards das Niveau stieg, und zugleich tatsächlich russischer wurde, weil alle großzügig und zuvorkommend handeln.“ Sowohl der Service wie auch die Qualität der Speisen und Getränke ist gestiegen. Michelin-Starköche wurden eingestellt, um Aeroflots Bordmenüs zu entwickeln. Das Top-Management nahm an Verkostungen teil. „Herr Saveliev war sehr interessiert daran, das Essen gesünder zu machen und mehr Auswahl zu schaffen“, sagt Asiya. „17 Sondermahlzeiten inklusive. Wir ändern unsere Bordmenüs alle drei Monate, aber man kann auch Sondermahlzeiten anfordern. Und es gibt je nach Destination landestypische Speisen, wie beispielsweise asiatische Gerichte auf eben diesen Routen.“
Als Teil des serviceorientierten Ansatzes hat der CEO das Ohr am Kunden. Außerdem integrierte Aeroflot digitale Services wie Self-Check-in-Kioske, Online- und Mobile-Check-in sowie Wifi an Bord.
In der Branche erreichte die Airline einen Meilenstein, als sie 2016 von Skytrax zur 4-Sterne-Airline deklariert wurde.
Kein Wunder, dass das Training alle Aspekte einbezieht – angefangen von der Sicherheit der Passagiere während ihrer Reise bis hin zur richtigen Art und Weise, wie den Fluggästen Wein ausgeschenkt wird. Das ist ein sehr einzigartiges Portfolio an Fähigkeiten: ruhig bleiben, wenn ein Notfall eintritt und gleichzeitig eine Bedienung, ein Weinkenner und eine medizinische Fachkraft sein, wenn sich ein Passagier nicht gut fühlt. Die Voraussetzungen sind umfangreich und vielfältig. Daher ist das Training auch sehr gründlich und erfordert ebenso Sprachunterricht wie Psychologie und eine Service-Ausbildung.
Wenn man in die angespannten Gesichter der Absolventen blickt, kann man erkennen, dass es viel Druck bedeutet, all diese neuen Fähigkeiten zu erwerben. Aber zugleich gibt es viele freudige Momente, nicht zuletzt wenn man übt, in und aus einem Rettungsboot zu kommen während es aus dem Dach über einem gigantischen Swimming Pool regnet.
Die Neuanwärter sind diejenigen, die mit Aeroflot und anderen Airlines der folgenden Generationen fliegen werden. Es ist also gut zu wissen, dass sie ein so gründliches Training absolvieren und ihre Fähigkeiten Jahr für Jahr im Schulungszentrum aufgefrischt werden.
(BT UK)