Quasselstrippen, Vordrängler, Sitzlehnenkipper: Was der eine im Flieger für ganz normal hält, bringt den Sitznachbarn in Rage. Was stört besonders? Jeder Vielflieger hat sicher seine eigene Hitparade der ärgerlichsten Sitznachbarn. Hier sind acht typische Konfliktsituationen mit verhaltensauffälligen Passagieren und Vorschläge, wie man stilvoll mit ihnen umgeht.
Nichts bereitet an Bord so viel Unmut wie die Rückenlehne der Sitze. Bei heutigen Economy-Sitzabständen bleibt Zweimeterleuten fast nichts anderes übrig, als ihre Knie gegen die Rückenlehne des Vordersitzes zu stemmen. Mehr noch: Während die Hinterfrau weiter ihren Kaffee trinken will und zwei Gläser Wasser vor sich auf dem Tablett balanciert, fährt der Vordermann bereits ruckartig die Lehne nach hinten und lässt das Klapptischchen hinter sich gefährlich schwanken. Die eine fühlt sich persönlich angegriffen, der andere sieht sich absolut im Recht, wozu sonst ist die Lehnenverstellung denn da? Und beim offenen Disput folgt stets das Argument: Dann stellen Sie Ihre Lehne doch auch nach hinten. Was die Hinterfrau natürlich nicht tut, schließlich hat sie Taktgefühl. Was tun? Zivilisierte Personen machen auf kurzen Flügen keinen Gebrauch von der Lehnenverstellungsoption. Und auf der Langstrecke kündigen sie den Schwenk zumindest an: „Ist es okay, wenn ich gleich meine Lehne verstelle?“ Das Problem des Knie-Klopfmonsters beseitigen großgewachsene Menschen am ehesten, indem sie auf einen (teureren) XXL-Sitz ausweichen. Manchmal helfen aber auch die Flugbegleiter.
Früher war es unter Vielfliegern ausgemachte Sache, dass nur Flugunkundige beim Einsteigen drängeln. Schließlich fliegen alle gleichzeitig los und jeder hat einen nummerierten Sitzplatz. Seit Koffer aber in vielen Tarifen aufpreispflichtig sind und zudem gern anderswo landen als die Besitzer, nimmt jeder so viel wie möglich als Handgepäck mit in den Flieger. Dann bersten die Gepäckfächer und das letzte Drittel der Passagiere findet keinen Platz mehr. Was tun? Zunächst einmal: Das Gepäckfach gehört allen. Ein Heimrecht über dem eigenen Sitz gibt es nicht. Und da die Airlines selber schuld sind an den übervollen Gepäckablagen, vertraut der gesittete Spätkommer sein Boardcase eben dem Flugbegleiter an. Keinesfalls zulässig ist es, eigenmächtig fremde Gepäckstücke in den Staufächern zu verdichten, um mehr Platz zu schaffen. Das überlässt man im Zweifelsfall ebenfalls der Crew. Wer vorplanen will, bucht einen Fensterplatz, denn die werden meist vor den Gangplätzen geboardet und damit ist die Chance auf ein freies Gepäckfach größer. Oder man gibt doch wieder mehr Gepäck auf – und hofft, dass nichts verloren geht.
Mancher hat ja ein wirklich dringendes Bedürfnis oder einen knappen Anschlussflug. Aber beide Probleme lösen sich nicht, wenn die Hälfte der Passagiere bereits auf dem Rollfeld den Gurt löst und schon mal in geduckte Startposition geht. Sobald dann vorn die Tür aufgeht, arbeiten sich die Ungeduldigen mit spitzen Ellenbogen im Gang vor oder klettern beim Aufstehen gar über den Vordersitz. Das wirkt natürlich lächerlich; aber was tun, wenn es wirklich eilig ist? Wenn tatsächlich der Anschlussflug in Gefahr ist, dann empfiehlt Lufthansa, vorab die Flugbegleiter anzusprechen. Sonst sind ein paar Minuten mehr Geduld und das gute alte Reißverschlusssystem zielführend. Denn am Gepäckband warten dann doch alle wieder vereint auf ihre Koffer. Wer in der Rushhour beim Verlassen des Flugzeugs nicht dabei sein will, der kann ja erst mal sitzen bleiben, bis wieder einigermaßen Ruhe eingekehrt ist. Das freilich bespricht man als Besitzer eines Gangplatzes sinnvollerweise rechtzeitig mit den Personen am Fenster- und Mittelplatz.
Die Anfahrt war hektisch, da kann schon mal ein Schweißfleck in den Armbeugen entstehen. Wer weiß, dass er da empfindlich ist, hat besser ein dezentes Deo dabei, bevor es auf den zehnstündigen Interkontinentalflug in Engstbestuhlung geht. Etwas Wäsche zum Wechseln im Handgepäck kann bestimmt auch nicht schaden. Die Schuhe zieht man besser auch nur aus, wenn die Nebenleute Family und den Duft gewohnt sind. Unangenehm riechende Passagiere gehören jedenfalls in allen Umfragen zu den Top 5 der ärgerlichsten Flugnachbarn. Aus Rücksicht auf die anderen Gäste feiern mitfühlende Reisende den Abschied am Vorabend auch nicht gerade mit einem knoblauchbetonten Essen. In dieselbe Richtung geht die Empfehlung, beim mitgebrachten Proviant auf Romadur und Kimchi zu verzichten. Der Sitznachbar wird es einem danken.
Kaum sind die Plätze im Flugzeug eingenommen, beginnt der stille Kampf um die Armlehnen. Für zwei Ellenbogen ist auf einer Armlehne einfach kein Platz. Doch wie teilt man sie fair? Experten empfehlen, dem Mittelpassagier in Dreierreihen den Vorzug zu geben – schließlich hat er ohnehin den unbequemsten Sitz. Fenster- und Gangpassagiere können sich zu den Seiten abstützen. Bei Zweiersitzen ist eine einvernehmliche Lösung gefragt. Außer den Armlehnen sorgen auch die Sonnenblenden für Zündstoff. Wer am Fenster sitzt, hat die Kontrolle über Licht und Schatten, aber auch eine gewisse Verantwortung. Schlafen die meisten Passagiere, bleiben die Rollos unten. Bei atemberaubenden Aussichten kann man sich zurücklehnen, um den Mitreisenden ebenfalls einen Blick zu ermöglichen.
Auf langen Flügen will sich jeder mal die Beine vertreten; der Gang zur Toilette ist dafür der richtige Anlass. Dem Sitznachbarn signalisiert der höfliche Zeitgenosse das mit einem „Darf ich mal durch, bitte?“, das jedenfalls freundlicher klingt als ein rüdes „Ich muss mal“. Vorderleute wissen es zu schätzen, wenn sich der Hintermann nicht an ihrer Rückenlehne hochzieht, zumal er dabei Gefahr läuft, in die Haare der Vorderfrau zu greifen – eine wenig willkommene Überraschung. Und bei der Rückkehr finden es die Hinterleute nett, wenn man sich nicht aus voller Standhöhe in den Sitz plumpsen lässt.
Ja, es gibt Paare, die sich im Flugzeug kennengelernt haben. Und Sitznachbarn, die sich über ein anregendes Gespräch angesichts der drögen Filmauswahl freuen. Wer deshalb gleich dem zufällig Nächsten fröhlich seine Lebensgeschichte offenbart, der sei gewarnt: Rund 40 Prozent aller Vielflieger haben Angst davor, schon wieder neben einer Quasselstrippe zu sitzen. Umgekehrt gehört es sich einfach, seine Reihennachbarn kurz zu begrüßen, wenn man die nächsten Stunden Ellbogen an Ellbogen nebeneinander sitzt. Das bedeutet nicht, sich mit Handschlag vorzustellen, schließlich ist dies nicht die Reise ins nächste Dschungelcamp. Ein freundliches Nicken reicht bereits. Und ob jemand dann ausführlicher angesprochen werden will, lässt sich in der Regel an den nonverbalen Signalen des Gegenübers erkennen, ob er überhaupt angesprochen werden will.
Für Kinder ist Fliegen ein aufregendes Abenteuer, und oft genießen sie die Zeit an Bord sehr intensiv. Schnell entdecken sie, wieviel Spaß es machen kann, durch die Gänge zu toben, über Sitze zu klettern und zwischen den anderen Fluggästen Fangen zu spielen. Wo Kinder sind, da sind meistens auch Eltern. Und die machen sich selten beliebt, wenn sie ihre antiautoritäre Ader ausgerechnet an Bord eines Flugzeugs ausleben. Verantwortungsbewusste Mütter und Väter haben ausreichend Beschäftigungsmaterial im Handgepäck. Und sie widmen ihrem Nachwuchs auch mal etwas Zeit, statt selbst ungerührt einen überlangen Film zu gucken.
(hwr)