Die Luft ist tropisch feucht, es riecht nach Pferdeäpfeln, vor der Drehtür steht ein Doorman mit Gehrock, Zylinder und erstklassiger Haltung. Wer das altehrwürdige Gebäude des The Pierre an der Fifth Avenue / Ecke Central Park, betritt, taucht ein in eine Welt gehobener Eleganz, tiefer Ruhe und künstlich erzeugter Kühle. Der gefühlte Temperaturunterschied zur Außenwelt dürfte an die 20 Grad betragen – gewöhnungsbedürftig für Europäer, die gerade erst mit der sommerlichen Schwüle der Stadt am Hudson in Berührung gekommen sind. Der Weg zur Lobby führt durch einen spärlich beleuchteten Flur, vorbei an einer Reihe alter Aufzüge, die – man glaubt es kaum – von einem Liftboy oder -girl betreut werden. Das gibt es nur hier – als einziges Hotel in New York City leistet sich das Fünf-Sterne-Haus der Taj-Gruppe im Jahr 2014 noch Aufzugführer, die ihre Gäste mit freundlichem Lächeln in die gewünschte Etage befördern.
Es fällt nicht schwer, sich in die Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu versetzen, als das „15 Millionen Dollar teure, 41-stöckige Hotel mit Clubatmosphäre“ geplant wurde und bereits vor seiner Eröffnung im Oktober 1930 Schlagzeilen schrieb. Mit seinem imposanten gregorianischen Bau, der heute noch Zeichen setzt in Midtown Manhatten, und dem Ziel, ein exklusives Hotel mit der Atmosphäre einer Residenz zu werden. Letzteres darf als geglückt gelten – bis zum heutigen Tag: Trotz opulenter Ausstattung und gehobener Klientel fühlt man sich schnell zu Hause im The Pierre, das auch 84 Jahre nach seinem „Grand Opening“ entspannte Kultiviertheit ausstrahlt.
Dazwischen lagen bewegte Jahre – vom eigentümergeführten Luxushotel des Gründers Charles Pierre Casalasco über den Verkauf an den Öl-Tycoon John Paul Getty, die Teilnutzung als Bleibe für prominente Dauergäste bis hin zur Übernahme durch die Taj-Gruppe im Jahr 2005 gab es zahlreiche Versuche, das Haus neu zu erfinden. Heute scheint es seine Bestimmung endgültig gefunden zu haben: Mit einer 100 Millionen US-Dollar teuren Sanierung verhalfen Taj Hotels ihrem amerikanischen Vorzeigeprojekt zu neuem Glanz und Selbstbewusstsein. Die „Grande Dame“ der New Yorker Hotellerie erlebte eine Art Wiedergeburt – und wurde in den exklusiven Kreis der Leading Hotels of the World aufgenommen.
Mit seiner außergewöhnlichen Architektur, 140 großzügigen Zimmern und 49 Suiten und vermutlich der besten Lage New Yorks gehört dieses Haus zu den schönsten Bauwerken der Stadt – für den Blick aus einem Fenster in den oberen Etagen würden vermutlich viele Menschen stattliche Summen auf den Tisch legen.
Die spektakulärste Bleibe des Hauses ist die Tata Suite im 39. Stock – ein rund 185 Quadratmeter großes Luxusapartment mit zwei Schlafzimmern, Wohn- und Esszimmer – selbst aus der frei stehenden Badewanne hat man einen umwerfenden Blick auf den Central Park. Zum Special Service der Grand Suites gehört die Betreuung durch einen „Taj Royal Attaché“, einen geschulten Mittler zwischen Gast und Personal, der die Wünsche seiner Kunden „erfühlt“ und für deren Umsetzung sorgt. „Ich bin ein Gästeflüsterer“ sagt Anupam Guha, der seine Tätigkeit als Royal Attaché im The Pierre zur Lebensaufgabe erkoren hat. Auch Gästen von City View Suites gibt er den einen oder anderen Tipp – die Autorin landet dank seiner Empfehlung bei einem der authentischsten indischen Restaurants Manhattans (Chote Nawad, 115 Lexington Avenue).
Es sind Besonderheiten wie diese, die dem Haus seinen speziellen Charme verleihen und es aus einem schier unbegrenzten Angebot an Luxusherbergen hervorstechen lassen. Und es ist das indische Flair, das sich mit amerikanischer Tradition paart und – nicht nur bei Design und Meublement – einen ureigenen Stil hervorbringt. So trainiert man im Gym vor einer wandfüllenden Straßenszene Kalkuttas und schläft in der Rajput Suite umringt von nordindischem Kunsthandwerk. Als Kontrastprogramm warten Pancakes mit Ahornsirup im frostig gekühlten Frühstücksraum – dunkles Holz, amerikanischer Service und am Nachbartisch eine junge New Yorker Familie mit zwei Kindern und schwarzer Nanny im weißen Schwesternkleid. Geschäftsreisende tippen in ihr Smartphone – es gibt WiFi im ganzen Haus, in den öffentlichen Bereichen zum Nulltarif.
Auf die technische Ausstattung wurde im The Pierre schon in den 1950er Jahren Wert gelegt – alle Zimmer hatten Radios und Fernseher, heute dürfen sich Gäste über 40-Zoll-Flachbildschirme und Bose Wave Studios mit iPod-Station im altehrwürdigen Interieur freuen. Auch die Küche gehörte stets zu den herausragenden Stärken des Hauses: Zu Zeiten der Gettys traf sich die New Yorker Oberschicht im „Café Pierre“, später eröffnete das Londoner Gourmetrestaurant „Le Caprice“ im Haus ihre erste amerikanische Dependance und heute verwöhnt der bekannte Gastronom Sirio Maccioni im „Sirio“ Hotelgäste und New Yorker mit hochklassiger, saisonal inspirierter italienischer Küche. In der Lobby-Bar „Two E“ können ganztägig Leckerbissen genossen werden – zum royalen „Afternoon Tea“ (von 15 bis 17 Uhr) werden Scones, Sandwiches und Champagner serviert, als „Evening Bites“ (von 15 Uhr bis Mitternacht) Austern, Kaviar, Salate oder Suppen.
So kann man Stunde um Stunde verbringen im The Pierre, in angenehmer Atmosphäre und mit reichlich Komfort. Wäre da nicht diese aufregende Stadt vor der Drehtür – man könnte Zeit und Raum vergessen und vielleicht sogar das eigene Zuhause. Gut, dass der Shuttle zum Flughafen schon bestellt ist …
Text: Sabine Galas; BUSINESS TRAVELLER Magazin 4/2014
Zahl der Zimmer & Suiten
140 Zimmer und 49 Suiten – davon elf, von der Hotelhistorie inspirierte Themensuiten. Star unter Stars: die Tata Suite auf der 39. Etage (ca. 185 qm) mit unverbautem Blick auf den Central Park
Gastronomie
Ein Restaurant (Sirio Ristorante) mit moderner, saisonal inspirierter italienischer Küche und eine Lobby-Bar (Two E), die von elf Uhr vormittags bis ein Uhr nachts amerikanische Klassiker serviert
Fitness & Spa
Health Club mit modernen Kardio- und Muskelaufbau-Geräten; „Jiva-Spa“-Treatments auf Wunsch im Zimmer
WLAN
Im gesamten Hotel: kostenlos in den öffentlichen Bereichen, im Zimmer gegen Gebühr (12,95 US-Dollar pro 24 Stunden für bis zu drei Endgeräte)
Weitere Services
Aufzugführer/innen, Taj Royal Attaché (für Gäste der Grand Suites)
Tagungsfläche und Veranstaltungsräume
Sechs Ball- und Bankettsäle auf 16.800 qm, Grand Ballroom für 800 Gäste
Bonusprogramme
Taj Innercircle
Leaders Club
Preis
Ab 421 US-Dollar (Superior Doppelzimmer / Interior View) ohne Frühstück
Adresse
Fifth Avenue at 61st Street, New York, Tel. +1 (212) 838-8000
Website, Buchung und Info