Trendy, sympathisch und mitten im Leben: Wer sich für das junge Istanbul interessiert, ist im „Room Mate Kerem“ an der richtigen Adresse.
Am besten, man kommt bei Tageslicht an: Tastet man sich in den Abendstunden bei mäßiger Straßenbeleuchtung in die Meşrutiyet Caddesi vor, kommt man sich leicht verloren vor. Obwohl in dieser Gegend jede Menge guter und sehr guter Hotels zu finden sind – Beyoglu gilt als das angesagteste Viertel in Istanbul – ist die Straße, in der das „Room Mate Kerem“ liegt, keine wirklich einladende Adresse. Ganz anders das Hotel – mit restaurierter Fassade und violettfarbener Leuchtschrift wirkt es wie eine freundliche Oase in der Düsternis des nächtlichen Istanbul. Direkt daneben: die Britische Botschaft, ein Prachtbau mit großem Park hinter hohen Mauern.
Vom Deluxe-Zimmer im siebten Stock aus überblickt man die gepflegte Anlage der Nachbarn, der Union Jack flattert im Wind, der vom Bosporus heraufweht. Keine Frage, die Lage des neuen Designhotels, das Ende letzten Jahres eröffnet wurde, gehört mit zum Besten, was diese Stadt zu bieten hat. Hoch oben auf dem Hügel, mittendrin im Ausgehviertel der jungen Istanbuler, keine zwei Minuten von der beliebten Einkaufsmeile Istiklal Caddesi entfernt, wo rund um die Uhr das Leben tobt. Trotzdem ist es erstaunlich ruhig, die Fenster sind Richtung Süden ausgerichtet und bieten herrliche Panoramablicke über die Altstadt und das Goldene Horn.
Der stylishe Neuzugang der spanischen Room-Mate-Gruppe, die unter anderem Häuser in Madrid, Barcelona, Florenz, Amsterdam, New York, Miami, Mexico City und Buenos Aires betreibt, ist in einem kernsanierten historischen Gebäude untergebracht. Mit 61 Zimmern und Suiten in sechs Kategorien hat das charmante Schmuckstück in der türkischen Hauptstadt eine überschaubare Größe, weitere zwei Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft sollen noch in diesem Jahr eröffnet werden.
Das Designkonzept überzeugt: Stilelemente aus der ottomanischen und byzantinischen Kultur mischen sich mit dem Retro-Charme der 1950er-Jahre – das Ergebnis ist jung, frisch und eigenwillig. Die Zimmer präsentieren sich klar und puristisch, ebenso die verwendeten Materialien Holz (Böden) und Metall (Lampen), an der Wand großformatige moderne Kunst. Auch das Farbkonzept ist schlicht und schnörkellos – Weiß, Schwarz und Brauntöne prägen die hellen und großzügigen Räume. Wie stilistische Fremdkörper, aber gekonnt gesetzt, wirken die gemütlichen Polstersessel mit Fußbänkchen im Fifties-Look, die die formale Strenge aufbrechen. Insgesamt ergibt das Interieur ein stimmiges Gesamtbild, das gute Laune macht.
Diese wird leicht getrübt, wenn man feststellt, dass der Schreibtisch zwar groß genug zum Arbeiten ist, jedoch keinerlei Steckdosen in Reichweite hat. Auch das Licht könnte heller sein, besonders im Bad kann man die eigenen Umrisse im Spiegel nur erahnen. Dieses ist zwar traumschön gestaltet – mit Waschbecken aus schwarzem Marmor und einer begehbaren, sehr großen Dusche mit türkisfarbenen Kacheln. Jedoch wackelt der Wasserhahn bedenklich und das Kabel des Föhns, der in der Schublade unter dem Waschbecken fest verschraubt ist, reicht nur für kleinwüchsige Menschen in gebeugter Haltung. Die extradicken flauschigen Handtücher im XXL-Format versöhnen ein wenig.
Angenehm ist der uneingeschränkte, kostenlose WLAN-Zugang im ganzen Hotel, sodass man überall Mails checken oder übers Internet telefonieren kann. In der Lobby und im Frühstücksraum lässt es sich komfortabel arbeiten, wenngleich auch Letzterer zu dunkel ist und die Musik deutlich über Zimmerlautstärke aus den Boxen dröhnt. Urlauber mögen die konstante Beschallung zu schätzen wissen, für Geschäftsreisende, die vielleicht mit ihren Kunden oder Kollegen am Tisch sitzen, ist sie ohne Weiteres verzichtbar.
Vielleicht sollte man einfach frei machen und durch die Stadt schlendern. Die freundlichen Mitarbeiter an der Rezeption sind gut informiert und geben hilfreiche Tipps. Einer stellt der Besucherin sogar seine Wochenkarte für den öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung und bringt sie an die nächste Ecke, um ihr den Weg nach Eminönü zu weisen. Das Altstadtviertel ist beinahe zu Fuß zu erreichen, nur zehn Minuten den Berg hinunter und zwei Stationen mit der Tram – schon ist man mittendrin im traditionellen Istanbul, dem Großen Bazar und den umliegenden Sehenswürdigkeiten. Zum Essen und Entspannen geht es dann aber wieder zurück nach Beyoglu, wo Restaurants, Cafés und Bars in reicher Zahl und Vielfalt warten. Auch ein Bad im hoteleigenen Spa ist eine angenehme Option für den Feierabend, wo geschulte Kräfte angewärmte Handtücher reichen und kräftige Massagen verabreichen. Ach ja: Föhnen kann man hier auch in aufrechter Haltung …
Text: Sabine Galas; BUSINESS TRAVELLER Magazin 2/2015