Papier war gestern : Im Jahr 2017 ersetzen Smartphones Flugtickets und Bordkarten
Vollelektronisch einzusteigen hat sich durchgesetzt. Zumindest, wer nur mit Bordgepäck unterwegs ist, der kurvt leger um die Warteschlange am Check-in und kramt am Gate auch nicht mehr hektisch nach dem richtigen Stück Papier. Alles, was man noch braucht, ist das Smartphone. Die Airline ist ebenfalls glücklich, sie spart Personal und damit Geld. Wie viel? Um das zu erfahren, reicht ein Blick in die Gebührentabelle von Ryanair: Wer bei den Iren erst am Flufhafen einchecken will, der zahlt dafür happige 50 Euro (Ausnahme: Business-Plus-Tickets). Bis zwei Stunden vor Abflug lässt sich das immer noch umgehen. So lange ist der Online-Check-in geöffnet, die Bordkarte kommt dann in wenigen Sekunden aufs Handy – kostenlos. Papierloses Fliegen ist nicht nur in solchen Fällen hilfreich. Richtig praktisch wird es vor allem für den Rückflug.
Bei den allermeisten Airlines kann der Mobile Boarding Pass ja frühestens 24 Stunden vor Abflug „gezogen“ werden. Und oft hat man unterwegs keinen Drucker zur Hand. Allerdings ist auch die Handy-Bordkarte nicht überall supereinfach zu bekommen. Und einheitlich schon gar nicht. Die meisten Airlines schicken die mobile Bordkarte nach dem Web-Check-in per Mail-Link aufs Handy, manche bieten auch SMS-Link oder MMS an. Anderswo (etwa bei Ryanair) geht ohne die Airline-App gar nichts mobil. Wer also weniger gängige Systeme wie Windows oder Blackberry hat, der schaut da schon mal in die Röhre und muss doch wieder seinen Drucker anwerfen.
Ist die Karte dann auf dem Mobiltelefon gelandet, geht die Verwirrung weiter. Denn es gibt sie in durchaus unterschiedlichen Varianten. Mal ist es eine schlichte PDF-Datei (obwohl das laut IATA gar nicht zulässig ist), anderswo ein File im pkpass-Format – passend für gängige Dokumenten-Apps wie Android Passwallet oder Apple Wallet (früher: Passbook), die sowieso standardmäßig auf dem Mobiltelefon vorhanden sind. Mit Apple Wallet wird sogar die Apple Watch zur mobilen Bordkarte. Wer eine Googlemail-Adresse verwendet, bei dem erscheint die Bordkarte ebenfalls im Google Assistant. Und Ryanair? Akzeptiert auch hier wieder nur die eigene Airline-App.Unabhängig vom Format: Äußerlich sehen mobile Bordkarten immer gleich aus. Zentraler Bestandteil ist ein QRCode (genau: das Quadrat mit den wirren Pixelmustern). Viele Airlines empfehlen ausdrücklich, gleich nach Erhalt einen Screenshot davon anzufertigen – für den Fall, dass das eigentliche System nicht funktioniert. Vollends Verwirrung stiftet ein kleiner, aber entscheidender Unterschied: der zwischen Online Boarding Pass und Mobile Boarding Pass. Denn was die IATA Online Boarding Pass nennt, ist nur die Version zum Ausdrucken. Allein der Mobile Boarding Pass ist der papierlose fürs Handy. Und wer jetzt glaubt, die Homeprint-Version einfach am Bildschirm anzeigen zu können, der täuscht sich wieder. „Das ist in gar keinem Fall möglich“, erklärt Lufthansa. Und Air Berlin weist ausdrücklich darauf hin: „Das PDF ist nicht zum Boarding verwendbar.“ Das ist auch gut sichtbar: Der Home-printed Boarding Pass hat keinen QR-Code, sondern einen „Zebrastreifen“.
Um die mobile Eintrittskarte ins Flugzeug vorzulegen, kann man grundsätzlich jedes internetfähige Smartphone verwenden. Prinzipiell funktioniert auch ein Tablet. Je größer der Screen ist, umso schwieriger kann freilich das „Zielen“ am Gate werden. Easyjet zum Beispiel empfahl deshalb bis vor kurzem nur Geräte bis zu fünf Zoll Größe und Tablets überhaupt nicht. Wichtiger als die Displaygröße ist in der Praxis allerdings oft die Helligkeit des Displays. Wer sichergehen will, der dreht also die Helligkeit hoch.
Handy-Bordkarten-fähig sind leider längst nicht alle Flughäfen. Vor allem kleine Airports verfügen noch nicht über die nötigen Scanner. So besitzt Lufthansa zwar nicht weniger als sieben verschiedene Bordkartensysteme bis zu Apple Watch und Google Assistant. Einsetzen kann sie die aber gerade mal an zwei der 18 von ihr angeflogenen griechischen Flughäfen: in Athen und Iraklio. Aber nicht nur kleine, auch Großflughäfen wie Abu Dhabi und Shanghai machen Ärger. Manchmal funktioniert das Scannen der 2D-Bordkarte auch nur an einzelnen Terminals. Deshalb hat jede Airline eine Liste im Netz, die darüber Auskunft gibt, wo es geht und wo nicht. Beispiel British Airways: Dort stehen auf der Positivliste insgesamt 100 Flughäfen, von A wie Aarhus bis Z wie Zürich. Entscheidend ist übrigens immer nur der Abflughafen. Einen Sonderfall bilden Flüge von und in die USA. Dort gelten besondere Regelungen aus Angst vor Terroristen. Damit die NSA immer Zeit hat mitzulesen, ist bei einigen Airlines drei Stunden vor Abflug Schluss mit der Ausgabe von eBordkarten. Und bei Emirates kann man sich seit Anfang dieses Jahres gar keine mehr ziehen. Tricky sind Umsteigeflüge – vor allem, wenn mit einer anderen Airline weitergeflogen wird. Längst nicht alle Fluggesellschaften geben mobile Bordkarten für die gesamte Strecke aus. Und wo es so ist wie bei Lufthansa, da muss jeweils die erste Teilstrecke mit der „eigenen“ Gesellschaft geflogen werden. Bei Codeshare-Flügen funktionieren nur die Print-Bordkarten.
Ebenfalls ein Knackpunkt sind gemeinsam reisende Personen. Oft hat ja nur einer für die ganze Gruppe gebucht. Manche Airlines wie etwa Emirates schreiben trotzdem vor, dass jede Person ihre eigene mobile Bordkarte vorweisen muss. Anderswo kann man prinzipiell auch eine ganze Fußballmannschaft mit einem einzigen Smartphone durchs Gate schleusen. Viel Spaß macht das allerdings nicht. Denn während man sonst die mobile Bordkarte scanbereit auf dem Screen hat, fängt hier ab der zweiten Person die Suche im Handy erst richtig an …
(Text: Hans-Werner Rodrian)
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