Wer will noch aufs Zimmer, wenn die Hotellobby filmreif ist? Spektakuläre Entrées – hier kommen unsere Favoriten
Dress to impress – auf den ersten Eindruck kommt es an. Eintreten und staunen. Eine spektakuläre Lobby ist der Schlüssel zum Erfolg für jedes feine Hotel. Im Trend liegt der dramatische Auftritt wie auf einer Theaterbühne. Aufregend zeitgemäßes Design und schwindelerregend hohe Atrien bieten dabei die Kulisse für den Gast in der Hauptrolle. Es ist vor allem die Generation der Millennials, die den emotionalen Kick und die optische Inspiration goutiert. Sie sucht nach dem „Wow“-Faktor, an den sie sich auch nach dem Ausschecken noch lange erinnert und der ihr einen Grund gibt, immer wieder zurückzukommen. Denn: Tolle Hotels gibt es überall auf der Welt, aber nicht jede Herberge vermittelt bereits beim Eintreten durch ihre Optik jene unbändige Vorfreude, die den Aufenthalt zum einmaligen Erlebnis werden lässt.
Von außen fällt das 463 Suiten zählende Conrad Hotel in New Yorks upcoming Battery Park City nicht auf. Der Gast muss den 16 Etagen hohen Backsteinkasten schon betreten, damit ihm die Luft wegbleibt angesichts eines 41 Meter hohen Atriums. Dominiert wird diese Mega-Lobby vom größten Werk, das der US-Konzeptkünstler Sol LeWitt je geschaffen hat: „Loopy Doopy“ in Blau und Violett misst 30 mal 24 Meter und taucht den Raum in leuchtende Blautöne.
Das Riesenbild bestimmt den Rest der Inneneinrichtung. Analog zu den verspielten Linien des Werks gibt es nirgends spitze Ecken. Auch nicht an den weißen, hängenden Dreiecksskulpturen, mit denen die Architektin Monica Ponce de Leon dem Raum etwas von seiner Monumentalität nimmt. Zugleich schlängeln sich meterweise graue konvex und konkav geformte Polsterbänke durch das Foyer und laden zum Ruhen, Unterhalten oder Essen ein.
www.conradnewyork.com/
Gegenwart trifft auf Vergangenheit: Die Lobby des Porta Rossa, eine der ältesten Herbergen mitten in Florenz, tischt dem Besucher eine raffinierte Mischung aus Renaissance und Moderne auf. Hier gingen einst bevorzugt Literaten wie Stendhal, Byron und Lamartine ein und aus. Ein grauweißer Marmorboden, Rundbögen, Säulen und viel Walnussholz an den Wänden setzen den historischen Rahmen für das moderne Mobiliar. Das ist von schnörkelfreier Klarheit geprägt wie zum Beispiel die kantige Empfangstheke oder die immer leicht gerundeten orangen Polstersessel und -bänke. Prunkstück der Lobby ist die Glasdecke von 1900 über der Rezeption aus der Werkstatt von Ulisse De Matteis. Das Kunstwerk taucht das Foyer nicht nur in weiches Licht, sondern zeigt im Mittelpunkt auch jene Porta Rossa (rote Tür), nach der das 72 Zimmer große Haus benannt ist.
Direkt an der Einkaufsmeile Passeig de Gràcia nahe der berühmten Casa Batlló von Antoni Gaudì residiert das Mandarin Oriental. Ein leicht ansteigender Laufsteg von über 20 Metern führt vom schattigen Eingang in den Lichthof. Nur die unregelmäßigen Fensterausschnitte verleihen den weißen Wänden je nach Sonnenstand wechselnde Muster. Der Gast fühlt sich klein angesichts der erhabenen Leere dieses turmhohen Atriums.
Die spanische Stardesignerin Patricia Urquiola hat sich dieses Interieur ausgedacht. Gekonnt pendelt sie zwischen Zen-Eleganz und mediterraner Lust am Muster hin und her. Nach dem Aha-Effekt des Eingangs folgt am Ende des Laufstegs die Etage mit der Rezeption. Sie versteckt sich diskret hinter einem transparenten Paravent, damit der Empfangsbereich mit seinen tiefen Sofas und Couchtischen – alles in hellen Erdfarben – den Gast wie in einem Wohnzimmer ungestört willkommen heißt. www.mandarinoriental.de/barcelona
John C. Portman gilt als Erfinder der Riesenlobby. Der Architekt und Immobilienentwickler hat die Hotelarchitektur der 70er-Jahre geprägt und fand, dass Lobbys mehr bieten sollten als nur Sitzmöbel zum Warten. Er dachte eher an Marktplatz und weniger an Wartehalle. Mit dem Foyer des Hyatt Regency im Embarcadero Center an den Landungsbrücken entwarf er 1973 eine der größten Lobbys der Welt – 107 Meter lang, 52 Meter hoch, 49 Meter breit. Die 17 Etagen mit 804 Zimmern umrahmen den Innenhof. Im Zentrum steht die Aluminiumskulptur „Eclipse“ (Durchmesser: zehn Meter) des US-Künstlers Charles O. Perry. Ein 40 Meter hoher Lichtervorhang gibt der Halle eine angenehme Atmosphäre. Wie beleuchtete Lampions gleiten an der einen Wand die Lifte auf und ab. Bar und Café bieten durch Paravents, offene Regale und freistehende Holzwände Inseln der Ruhe, ohne das gigantische Raumgefühl der Lobby zu begrenzen.
sanfrancisco.regency.hyatt.com
Die Reise in die Vergangenheit beginnt mit dem Blick auf das silberne Vordach mit den schmalen schnörkellosen Lettern „Savoy“. Mehr Art déco geht nicht. Doch kaum hat der Gast die Drehtür hinter sich gelassen, taucht er noch tiefer in die Welt um 1900 ein. Das Interieur der Lobby stammt von 1904, der Grundriss entspricht dem Stil der Zeit. Das heißt, Intimität und Eleganz, nicht Größe und Prunk bestimmen das Foyer mit seinem schwarzweißen Marmorboden, der historischen Einrichtung und dem Fries vom damals populären Künstler Bertram Pegram. Das alles zu erhalten war die Herausforderung für Innenarchitekt Pierre-Yves Rochon, der die Nobelherberge mit ihren 267 Zimmern 2010 einer über 300 Millionen Euro teuren Verjüngungskur unterzog. Wenn also heute ehemalige Stammgäste wie Winston Churchill, Katharine Hepburn oder Christian Dior die Savoy-Lobby betreten würden, dann wüssten sie sofort, wo sie abgestiegen sind.
Die 2011 eröffnete Herberge mit 262 Zimmern in Kowloon ist das Produkt der kreativsten Köpfe der Stadt inklusive der hier geborenen US-Modedesignerin Vivienne Tam. Vor dem modernen Hochhaus warten keine Rolls-Royce, sondern E-Limousinen, und nichts funkelt außer nachts die Lichter der Wolkenkratzer. Stattdessen begeistert die Lobby des Icon durch luftige Helligkeit, entspannte Moderne und für Asien bemerkenswertes Ökobewusstsein. Dessen sichtbarstes Statement ist ein 230 Quadratmeter großer hängender Garten, der größte Asiens. Über 8.000 verschiedene Pflanzen wuchern in Beeten, die sich in Kurven an den Wänden durch das Foyer und das Café ziehen und das Raumklima verbessern. Auffallend ist auch das Fehlen von Ecken und Kanten – in diesem Haus herrscht das Prinzip von Yin und Yang. So windet sich die Treppe wie eine elegante Skulptur durch die Lobby, und die gerundeten Sitzmöbel laden zum Verweilen ein.
Das George V ist der beste Beweis, dass Lobbys nicht riesig sein müssen, um zu beeindrucken. Das achtstöckige Art-déco-Gebäude mit 244 Zimmern besitzt seit seiner Eröffnung 1928 eine mit 144 Quadratmetern relativ überschaubare Lobby. Sie wirkt allerdings durch ihr graziles Stilmobiliar, die goldgerahmten Bilder, die fein vergoldeten Wandleuchten und die cremeweiß gehaltenen Wände mit dem Stuck freundlich und leicht. Nichts trägt auf. Bis, ja, bis der Blick auf eine unglaubliche Blumenpracht fällt. Mal in Rosatönen oder in Violettnuancen, mal ein Meer von Hibiscusblüten oder Tulpenkelchen – seit 1999 ist Jeff Leatham als Art Director für die Dekoration des Hauses zuständig. Seitdem ist das George V nicht nur für seine Sterneküche weithin bekannt, sondern auch für seine fantastischen Blumenarrangements. www.fourseasons.com/paris/
Groß, dominant und von außen nicht halb so aufregend wie sein Innenleben wirkt das Radisson Blu in der Nähe des Alexanderplatzes. 427 Zimmer brauchen eben viel Gebäude. Doch wer die Lobby dieses Hauses betritt, wird erst einmal seinen Kopf in den Nacken legen und staunen. Sein Blick wandert entlang des 16 Meter hohen Aquadoms, des höchsten Aquariums der Welt. In dem Acrylzylinder mit einem Durchmesser von 11,5 Metern schwimmen rund 1.200 Fische in einer Million Liter Salzwasser. Ein grandioses Taucherlebnis hat, wer mit dem Glasaufzug durch die Wassersäule nach oben fährt – ohne Neopren und mitten in Berlin. Bar, Café und Rezeption gruppieren sich weitläufig um den Aquadom. Es dominieren Farben wie Hellgrau und Wasserblau, kombiniert mit weißen Tischen und Schalensesseln im Retro-Look. www.radissonblu.com/de/hotel-berlin
Mit Blick auf die kaiserlichen Gärten auf der einen und Mount Fuji auf der anderen Seite liegt das Hotel zentral in Tokios Finanzviertel. Die 84 Zimmer nehmen die Etagen 33 bis 38 des Otemachi Towers ein. Wie immer geht es auch bei diesem Aman-Haus um optische Reduktion, kombiniert mit der jeweils landestypischen Ästhetik. Wer mit dem Lift nach oben schwebt und die intime Rezeption hinter sich lässt, dem öffnet sich die weite Lobby, dominiert von grauen Basaltwänden und hellem Kampferholz. Mittelpunkt bildet eine 40 Meter lange und elf Meter breite „Laterne“, die Aman-Architekt Kerry Hill aus den typischen Elementen der japanischen Wohnkultur hat bauen lassen: Shojis sind Raumteiler aus leichten Holzrahmen und Washipapier. Die Konstruktion kleidet fast die ganze obere Hälfte der Lobby aus und verleiht dem Foyer Struktur, Licht und Leichtigkeit.
www.aman.com/resorts/aman-tokyo
Das ME Hotel der Meliá-Gruppe gehört zu den letzten Vermächtnissen der 2016 verstorbenen Stararchitektin Zaha Hadid. Sie verlieh ihren Bauten mit Kurven, Drehungen und Wahnsinnsfassaden stets eine aufregende Dynamik. Die Luxusherberge, die voraussichtlich Ende 2017 eröffnet wird, befindet sich in dem von ihr entworfenen 93 Meter hohen „Opus“-Gebäude. Der Glaskubus wird von einer riesigen organisch geformten Öffnung geteilt. Auch das Innere hat Hadid bis ins letzte Detail bestimmt. In der Lobby gibt es weder an den Sitzlandschaften noch an der Rezeptionstheke spitze Ecken. Die plastisch modellierten Balkone fließen über der Rezeption in theatralisch in den Raum ragenden silberfarbenen Formen zusammen. Es könnte sich um Pflanzen aus einer anderen Welt handeln. Von der Decke schwebt wie ein Segel eine aus runden Glaselementen bestehende Skulptur über das so futuristisch anmutende Foyer.
Autorin: Tinga Horny